Von Thomas Böhm
Stefan Aust ist ein hervorragender Journalist und sicherlich auch ein guter Blattmacher. Aber er ist eben auch nur ein kleines Rädchen in der politisch, ideologisch kontaminierten Medienlandschaft, in der der Sicherheitsabstand zwischen Parteien und Redaktionen aufgrund gemeinsamer Interessen schon lange nicht mehr eingehalten wird.
Dass Parteien die so genannte „Vierte Macht“ infiltriert haben, ist nicht neu, es gibt ja bekanntlich auch Parteien, denen Verlage gehören und die entsprechend Einfluss auf die Berichterstattung haben.
Im Zuge der Flüchtlingskrise nun wurde diese Medienkrise besonders deutlich. Fast alle Leitmedien haben sich im selbstmörderischem Eifer zu Verlautbarungsorganen der Merkelschen Regierung gemacht und wurden so zurecht als „Lügenpresse“ beschimpft, auch weil sie Wahrheiten verschwiegen haben und immer noch verschweigen.
Von daher klingt es etwas merkwürdig, wenn Herr Aust ausgerechnet jetzt „in eigener Sache“ in der Causa Lachmann von der Glaubwürdigkeit des Journalismus spricht:
Glaubwürdigkeit ist das wichtigste Kapital des Journalismus. Wer diese aufs Spiel setzt, schadet nicht nur der Zeitung oder Zeitschrift, für die er arbeitet. Er schadet der gesamten Publizistik. Deshalb hat die „Welt“ entschieden, sich unverzüglich von ihrem Redakteur Günther Lachmann zu trennen, als Belege darüber auftauchten – und von ihm bestätigt wurden – dass er sich auf eine sehr zweifelhafte Weise mit Politikern der AfD eingelassen hatte…
Wir ändern hier mal nur den Parteinamen und stellen die Überlegung an, ob der Vorfall dann ebenso „verwerflich“ klingen würde:
Glaubwürdigkeit ist das wichtigste Kapital des Journalismus. Wer diese aufs Spiel setzt, schadet nicht nur der Zeitung oder Zeitschrift, für die er arbeitet. Er schadet der gesamten Publizistik. Deshalb hat die „Welt“ entschieden, sich unverzüglich von ihrem Redakteur Ulf Poschardt zu trennen, als Belege darüber auftauchten – und von ihm bestätigt wurden – dass er sich auf eine sehr zweifelhafte Weise mit Politikern der FDP eingelassen hatte…
Als Mann der Ehre gibt Herr Aust dann zu, dass Lachmann wohl nicht als „Einzelfall“ abgetan werden kann:
…Es ist nicht das erste Mal, dass Mitarbeiter eines Unternehmens, auch eines Presseunternehmens gegen ihren Arbeitsvertrag, den generellen Presse-Kodex oder andere eigentlich selbstverständliche Grundsätze verstoßen. Das macht die Sache nicht besser. Wir können aber nichts anderes tun, als den Fall lückenlos aufzuklären und die Vorgänge so offenzulegen, wie es arbeitsrechtlich irgend möglich ist. Dazu gehört auch, Herrn Lachmanns Berichterstattung über die AfD nachträglich kritisch zu hinterfragen.
Ein Vorgang dieser Art wird weder geduldet noch vertuscht oder beschönigt. Das sind wir Ihnen, den Leserinnen und Lesern, den journalistischen Kollegen bei der „Welt“, das sind wir uns selbst schuldig…
Na, da sind wir aber mal gespannt. Vielleicht könnte Herr Aust bei seiner Glaubwürdigkeits-Razzia vielleicht noch weitere offene Fragen klären, die den Leser sicherlich ebenso interessieren würden:
Warum gibt es in der „Welt“ keine Interviews mehr, in denen nachgehakt und Widersprüche in den Aussagen aufgedeckt werden? Warum hat man den Eindruck, dass dieses einstmals so wichtige Element des Journalismus heute nur noch als Forum für Politikerstatements missbraucht wird?
Kann Herr Aust garantieren, dass die liebe Frieda ihrer lieben Freundin Angela nicht hier und da mal einen PR-Tipp gegeben hat?
Kann Herr Aust garantieren, dass nicht irgendein Vorstandsmitglied des Axel-Springer-Konzerns oder ein Mitglied der Chefredaktionen mit Spitzenpolitikern eng verbandelt ist?
Ist es reiner Zufall, dass Angela Merkels Ehegatte Joachim Sauer Mitglied des siebenköpfigen Kuratoriums, der Friede Springer Stiftung, ist?
Weiß Herr Aust, dass es unter den Redakteuren des Axel-Springer-Verlages auch einige gibt, die mit ihren Parteibüchern herumwedeln? Und wenn ja, sieht er da keine Interessenskonflikte?
Und eine letzte, wohl entscheidende Frage sei auch gestattet:
Was untergräbt die Glaubwürdigkeit des Journalismus eigentlich mehr? Wenn ein Redakteur eine Partei berät, oder wenn die Partei einen Journalisten „berät“?
Vielleicht erübrigt sich ja in vielen Fällen auch die Beratung, weil Partei und Redakteur schon längst zu einer „investigativen“ Einheit zusammengeschmolzen sind!
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