Von Klaus Barnstedt
Es gab einmal eine Zeit, da war – überwiegend anerkennend – von Deutschland als dem „Volk der Dichter und Denker“ die Rede.
Dichter und Schriftsteller gibt es hierzulande zuhauf. Sogar solche, die sich kritisch über den Massenzustrom von Fremden äußern, wie Botho Strauß (geb. 1944):
„Manchmal habe ich das Gefühl, nur bei den Ahnen noch unter Deutschen zu sein.“
Und ganz hervorragende deutschsprachige Denker verschiedenster anderer Sparten melden sich in letzter Zeit ebenfalls zu Wort. Zum Leidwesen der Schönfärber und sprachlichen Falschmünzer werfen sie nicht mit Worthülsen um sich, sondern argumentieren kraft ihrer Fähigkeit zur Analyse. Ihre Beiträge sind schon vor Wochen erschienen. Bisher scheinen ihre Erkenntnisse keinen spürbaren Einfluss auf die öffentliche und veröffentlichte Meinung auszuüben, als gehe es darum, die Wirkung ihrer Worte möglichst verpuffen zu lassen.
Die Rede ist von den Philosophen Rüdiger Safranski und Peter Sloterdijk, den beiden ehemaligen Verfassungsrichtern Hans-Jürgen Papier und Udo Di Fabio sowie dem Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz.
Rüdiger Safranski hatte sich bereits vor Monaten zur Flüchtlingskrise zu Wort gemeldet und sich beklagt, er sei nicht gefragt worden, ob er mit der Öffnung des Landes für einströmende Menschenmassen einverstanden sei.
„Die Politik hat die Entscheidung getroffen, Deutschland zu fluten. Wenn die Kanzlerin sagt, Deutschland wird sich verändern, da möchte ich doch bitte gefragt werden.“
Sein Kollege Peter Sloterdijk mahnt an, Grenzen seien nicht dazu da, um übertreten zu werden. Außerdem gebe es „keine moralische Pflicht zur Selbstzerstörung“.
Damit ziehen die beiden Geisteswissenschaftler einiges mediales Ungemach auf sich, auch wenn (eher wohl: weil) sie sachlich völlig untadelig argumentieren. Ihr Fehler besteht lediglich darin, sich nicht – was für sie analytisch unredlich wäre – dem Moralapostel-Mainstream anzuschließen.
Die gedanklich klare und unverblümte Einstellung der beiden Philosophen lässt sich bruchlos juristisch untermauern.
Die beiden Staatsrechtsprofessoren von Renommee Hans-Jürgen Papier und Udo Di Fabio werfen der Bundeskanzlerin und ihrer Regierung fortgesetzten Rechtsbruch vor. Sie fürchten um die verfassungsstaatliche Souveränität der Bundesrepublik und sehen den Rechtsstaat als Ganzes in Gefahr.
In der Flüchtlingskrise offenbare sich „ein eklatantes Politikversagen“. Die Regierung habe die Leitplanken des deutschen und europäischen Asylrechts „gesprengt“, bestehende Regelungen „an die Wand gefahren“. Ein Umsteuern sei unausweichlich.
„Der Verfassungsstaat muss funktionieren, er darf durch die Politik nicht aus den Angeln gehoben werden. Sie (die Politik) hat die zentrale Verpflichtung, Gefahren entgegenzutreten, die durch eine dauerhafte, unlimitierte und unkontrollierte Migration in einem noch nie da gewesenen Ausmaß entstehen können.“
Volk der Wichtel und Lenker?
Welches sind die mentalen Bedingungen, unter denen eine derartig irrwitzige und zerstörerische Politik bewerkstelligt werden kann? Wie kann diese Art von Politik in der Bevölkerung überhaupt Zustimmung finden? Eine Antwort auf diese Fragen versucht der Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz aufzuzeigen.
Er beklagt den fehlenden Realismus und zu wenig Ehrlichkeit in der Flüchtlingsdebatte. Kritische Einstellungen würden unterdrückt und als „indiskutabel“ abgetan. Selbst ohne gezielt manipulierenden Medien-Mainstream wirke die suggestive Kraft einer moralisierenden politischen Korrektheit verheerend.
Maaz fragt sich allerdings, wieso es noch nicht zu einem Aufstand gekommen sei
und liefert gleich die Antwort: Das Falsche, der Irrturm darf nicht benannt werden. Das Falsche, der Irrtum wird nicht einmal erkannt. Wenn fast alle bei einer Sache augenscheinlich mitmachen, wollen viele selbst dazu gehören. Auf keinen Fall wollen die meisten offen bekämpft oder diffamiert werden. Eine kranke Generallinie wird auf diese Weise zur Norm erhoben.
Und da ist natürlich „die politische Klasse“, die an ihrer Macht hängt und zum Opfer ihrer eigenen ideologischen, an Phrasen ausgerichteten Beschränktheit geworden ist
(Förderung von „Multikulti“, Kampf gegen „soziale Ungerechtigkeit“).
Den Vertretern dieser und anderer einflussreichen Kreise bescheinigt Maaz erhebliche psychosoziale Defizite. Er spricht in diesem Zusammenhang von einem „Narzissmusproblem“ unter den Etablierten.
Maaz scheut sich nicht, unpopuläre Vorschläge zu machen und eine Schließung der Grenzen zu fordern. Nach seiner Vorstellung dürfe nicht geschehen, „dass wir mit Gewalt verändert werden.“
http://www.cicero.de/berliner-republik/stimmungsumschwung-fluechtlingsfrage-mutti-unter-druck/60396