Von David Berger
Der Veranstalter von Europas größtem lesbisch-schwulen Straßenfest in Berlin hat beschlossen, dass die AfD im Berliner Wahljahr keinen Stand mehr dort haben darf. Die Angst, dass zu viele Schwule und Lesben AfD wählen könnten, ist groß. Warum die Wirte des Gay-Bezirks von Schöneberg bei der Aktion mitmachen, ist unklar.
Das lesbisch-schwule Straßenfest rund um die Berliner Motzstraße im Nollendorfkiez war einstmals eine feste Institution im Festkalender von Berlin und dem Homo-Kalender aller schwulen Männer in Berlin. Eine Woche vor dem großen CSD wurden dort in gemütlichem Rahmen Bier getrunken, Würstchen gegessen und zur Finanzierung des Festgeschehens reihten sich Infostände am Rand der für den Autoverkehr gesperrten Straßen. Da präsentierten schwule Buchverlage ihre Produkte ebenso wie Sexspielzeugläden Slings und anderes Zubehör für ein zünftiges Sexwochenende in Hützelstücht.
Aber auch weltanschaulich interessierte Gruppen wie der LSVD und alle größeren Parteien suchten hier das Gespräch mit der Basis. Und auf Bühnen trällerten Travestiekünstler Schlager im Playbackmodus. Lediglich die im Bierdunst versinkende „Lederecke“ rund um die Bar „Scheune“ war ein kleiner Hotspot, an dem es gelegentlich zu politisch unkorrekten Aktionen kommen konnte. So sah man dort schon mal einen in Berlin als schwulen Autor bekannten Mann mit einem ähnlich verkleideten Begleiter in SS-Uniform aufmarschieren. Im Gespräch zeigte er sich dann aber sehr schnell als Wähler linksgrüner Parteien.
Nur noch mit Burka auf das Stadtfest?
Seit letztem Jahr aber fühlt sich der Veranstalter des Chinapfannenfestivals aber nun ganz der großen Politik verpflichtet. Und das Engagement begann sogleich mit einem tiefen Fettnäpfchen, über das die ganze Hauptstadtpresse etwas verwirrt den Kopf schüttelte. Die Veranstalter befürchteten aus unbekannten Gründen eine Unterwanderung durch Neonazis und wollten dagegen ein Zeichen setzen. Nicht nur, dass sie bekannt gaben, dass die Security darüber wachen wird, dass kein rechtsorientierter Mensch die Festmeile betritt, auch mit dem Plakat wollte man sich antirassistisch zeigen und warb mit einer lesbischen Muslima mit Kopftuch. Das kam aber bei den warm Umworbenen, den queeren Anti-Rassisten gar nicht gut an, da man sich keine Erlaubnis bei den zuständigen Vereinen für lesbische Migrantinnen mit muslimischem Hintergrund geholt hatte.
Wie die neue Entscheidung nun bei diesen kleinen, aber lautstarken Vereinen ankommt, ist noch unklar, dass sie aber ganz im Zeitgeistigen liegt und so revolutionär ist, dass sie selbst den Segen des Papstes und der Deutschen Bischöfe auf sich ziehen könnte, scheint schon klar. Heute melden die Medien: „Das Lesbisch-Schwule Stadtfest in der Motzstraße will der AfD kurz vor den Abgeordnetenhauswahlen keine Bühne bieten – die Partei darf dort im Gegensatz zu den letzten Jahren nicht werben.“
Stricherbars, Homo-Hotels und Sexsauna auf politischem Kreuzzug?
Die Nachricht geht auf eine Facebookaussage der „Queerpolitischen AG der SPD“ Schöneberg auf Facebook zurück. Falls die Meldung zutreffend ist, was bei Facebookmeldungen generell erst mal zu prüfen sein wird (man denke an den ersten LAGESO-Toten, den ein Berliner Homoaktivist vor kurzem erfunden hatte), ist für diesen Beschluss der „Regenbogenfonds der schwulen Wirte e.V.“ zuständig.
Dazu gehören – neben eher unbekannten Kneipen – einige Stricherbars, das Café Berio, Mr.B., die Sexsauna „Boiler“, Tom’s Hotel, mit namensgleicher Bar, die Bars „Heile Welt“ und „Hafen“, das Axel-Hotel und das für seinen großen Darkroom bekannte Connection, das bereits im Zusammenhang mit der Ankündigung gegen Gäste vorzugehen, die die AfD gewählt haben, einen unfreiwillig komischen Beitrag zur AfD-Debatte lieferte.
2014 war die AfD noch mit einem eigenen Stand vertreten. Nach Angaben der Veranstalter hatten sich viele zwar häufig kritische, aber im Großen und Ganzen sehr konstruktiv verlaufende Gespräche ergeben.
Inzwischen hat – nach der BZ – der Chef der Veranstaltung Gerhard Hofmann die Absage an die AfD bestätigt. Gründe nennt die Zeitung nicht. Aber nach persönlichen Gesprächen mit Hofmann, einem eigentlich sehr versöhnlich gestimmten, harmlosen 70jährigen, in den Vorjahren entstand bei Redaktionsmitgliedern der Eindruck, dass es vor allem die Angst des bayrischen Berliners vor den Lokalpolitikern und queeren Linkspopulisten war, die ihn dazu getrieben hat. Gerade auf die Teilnehmerinnen aus der Schöneberger Lokalpolitik an seinen Lesungen ist Hofmann sehr stolz.
Kommentar: Die selbst ernannten Verfechter für Vielfalt werden zunehmend zu „Helden“ der Einfalt
Das klingt alles nach einem sehr gewöhnlichen Vorfall, wie es ihn in Deutschland jedes Wochenende dutzende Male angesichts der Grillfeste in Schrebergärten gibt. Ist es aber aus mehreren Gründen nicht:
1.Zum einen handelt es sich bei der Veranstaltung um Europas größtes Stadtfest für Schwule und Lesben – und hat damit Nachmacheffekt. Was der Papst macht, wird von den kleinen Päpstlein gerne nachgemacht. So ist mit zahlreichen weiteren ähnlichen Aktionen auch bei deutlich kleineren Homo-Veranstaltungen in Deutschland zu rechnen.
3. Eine noch größere Dimension erreicht der Ausschluss einer Partei, die man nach den letzten Wahlen nicht mehr mit zu den „Ferner-Liefen“-Parteien wird zählen können, wenn man bedenkt, wie hier ein Zeichen der Vielfaltsdiktatoren gegen Meinungsfreiheit und Dialogbereitschaft gesetzt wird. Zugleich wird hier jener Mechanismus bedient, der der AfD ihre jetzt erreichte Größe überhaupt erst ermöglich hat: Unnötigerweise versteckt man sie (als ob sie ein geheimes Wissen und Wundermittel gegen die Krise hätten, die ihre Konkurrenten nicht haben), dämonisiert sie, macht sie zur Partei derer die Angst machen und sich Sorgen machen. Und das sind nicht wenige, gerade auch in der Homo-Community.
Boykott des Stadtfestes und der Wirte?
Wie wird die größte Zielgruppe des Stadtfestes nun reagieren? Das Stadtfest boykottieren? Bei den Wirten, die für diese Entscheidung mit verantwortlich sind, nachfragen, wie es bei ihnen mit der Toleranz so ist? Und bei intoleranten Antworten dann auch diese boykottieren? Wir bleiben dran!