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Tsipras wird Kult!

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Wie »Dada« in die Politik kam, wie sich die Linke einen neuen Allende backt, und wie es sich am besten argumentieren lässt / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Als Grieche hätte man dieser Tage allen Grund durchzudrehen. Hin- und hergeworfen zwischen unleistbaren Zahlungsverpflichtungen, uneinlösbaren Versprechen einer unseriösen Regierung und einer abstürzenden Wirtschaft singt die Tspiras-Regierung ein Potpourri, bei dem kein Takt mehr zum anderen passt: politischer „Dadaismus“. „Dada“ war eine wilde Kunstrichtung Anfang des 20. Jahrhunderts. Ihr Ziel war es, alle Konventionen, Traditionen, Institutionen und alles irgendwie Geregelte im Leben der Menschen und in der Welt der Kunst einzureißen.
Als „Dada“ modern und damit gewissermaßen selbst zur Institution in der Kunst wurde, rief ein Pionier der Bewegung dazu auf, nun auch „Dada“ einzureißen: Die Zerstörung musste sich notwendigerweise selbst zerstören, um als Kraft der gewollten Zerstörung glaubhaft zu bleiben.
Bekloppt, was? Ja, aber unausweichlich.
Alexis Tsipras’ Rücktritt ist ebenso die unausweichliche Erfüllung seiner politischen Aufführung. Die Rolle, die er sich geschneidert hatte, zwingt ihn dazu, seine letzte Patrone auf sich selbst abzufeuern. Da sage noch einer, die heutigen Griechen könnten ihren antiken Ahnen nicht mehr das Wasser reichen. Das ist eine klassische Tragödie mit allem Pipapo!
Um das Drehbuch zu begreifen, müssen wir kurz in die Zeit vor dem Regierungsantritt von Tsipras zurückreisen. Damals herrschten in Athen die Parteifreunde der deutschen CDU/CSU und SPD, die in Hellas unter den Bannern der bürgerlichen Nea Dimokratia und der sozialdemokratischen Pasok segelten.
Deren Führer waren stolz auf ihre Duzbekanntschaften mit den Parteifreunden in den großen EU-Staaten wie Deutschland oder Frankreich und gaben daheim kräftig damit an. Die Griechen fanden das auch eine ganze Weile lang recht erbaulich: Unser Griechenland ist zwar klein und machtlos, aber unsere Politiker gehen mit den Mächtigen aus den großen Ländern einen saufen und sind mit ihnen „befreundet“ – also sind auch wir trotzdem irgendwie auf Augenhöhe mit den Titanen Europas.
Aber dann drehte sich der Wind. Die Griechen empfanden diese Saufkumpanei plötzlich wie Verrat. Tsipras sah seine Chance und versprach ihnen das genaue Gegenteil: Nix mehr mit „Liebe Angela“. Denen in Berlin und so weiter würde er was auf die Nase geben.
Damit war die Welt über Nacht eine andere geworden. Mit Tsipras’ Vorgängern hatten Merkel und Co. nämlich ein geheimes Abkommen geschlossen: Ihr Griechen tut so, als sagtet ihr uns die Wahrheit, und wir tun so, als glaubten wir euch den Quatsch.
So hat man sich von Gipfelchen zu Gipfelchen gemogelt, doch gelogen – das war das Entscheidende – wurde immer im Chor. Jeder hatte seinen Text, keine scherte aus oder verhaspelte sich.
Alexis Tsipras hat das Lügnerkartell von Anfang an verraten. Außerdem stand er mit dem „auf die Nase geben“ bei seinen Wählern im Wort. Das barg für ihn eine Gefahr: Jede Einigung mit den verhassten Euro-Partnern konnte ihm zu Hause als Desertion ausgelegt werden. Daher hat er stets in dem Moment, als eine der üblichen verlogenen Einigungen zum Greifen nahe schien, eine Stinkbombe unter den Verhandlungstisch geworfen. Er musste das machen, sonst hätten sie ihm auf den Straßen von Athen die Hölle heiß gemacht. Die dickste Bombe war schließlich die Volksabstimmung.
Da er sich kurz darauf wieder um 180 Grad drehte, ist Tsipras’ Rücktritt die einzige, künstlerisch akzeptable Variante für einen Dada-würdigen Abschluss dieser großartigen griechischen Aufführung: Der Zerstörer zerstört sich am Ende selbst.
Das hat doch Klasse! Aber muss man den Tsipras nicht auch ein wenig bedauern? Ach was, als Privatmann stehen ihm wunderbare Jahre als wandelnde Legende bevor; überall wird man sich darum reißen, ihn für neunmalkluge Vorträge mit Geld überschütten zu dürfen. Wir wissen schließlich, was rote Legendenschmieden fertigbringen. Die haben aus Terror-Lenin den guten Mann von Petrograd gemacht und aus Fidel Castro den Befreier und Beglücker seines Volkes.
Alexis Tsipras werden sie zu einem europäischen Allende hochjubeln. Jener chilenische Präsident stürzte sein Land Anfang der 1970er Jahre ins wirtschaftliche Chaos. Auf den Straßen herrschten linke Horden, die hemmungslos vom Faustrecht Gebrauch machten und das Bürgertum malträtierten.
Dann putschte ihn der (Allende anfangs zugeneigte) General Augusto Pinochet aus dem Amt, der Präsident erschoss sich bei den Kämpfen um seien Amtssitz. Gleich darauf wurde der Mann mit dem Vornamen Salvador, zu Deutsch: Erlöser, in den Pantheon der roten Säulenheiligen aufgenommen, in Deutschland sind Straßen und Plätze nach ihm benannt. Das kann auch Tsipras gelingen. Vielleicht nicht das mit den Straßen und den Plätzen, dafür aber kann er seinen Glanz hienieden auskosten, was seinem chilenischen Genossen verwehrt blieb.
Dass die Sterne günstig stehen für einen Tsipras-Kult liegt auch daran, dass im Moment dringender Bedarf besteht für eine lebende linke Lichtgestalt. Alle anderen, die für die Rolle in Frage kämen, sind nämlich recht schal geworden.
Der Klassiker Fidel Castro ist ebenso gebrechlich wie seine marode Volksrepublik, sein nunmehr regierender Bruder Raúl obendrein strunz langweilig. Boliviens Evo Moráles ist einfach zu bäurisch und Koreas Kim Jong-Un – nun hören Sie aber auf! Der einstige mittelamerikanische StarMarxist Daniel Ortega verschachert sein Nikaragua gerade an chinesische Brutalo-Kapitalisten und in Afrika ist schon lange kein linker Staatschef mehr gesehen worden, mit dem sich die Weltlinke gern öffentlich sehen ließe. Bliebe noch Venezuela, das mit dem Amtsantritt von Hugo Chávez zum neuen Sehnsuchtsort auch der deutschen Linken aufstieg. Chávez ist aber tot, und sein Nachfolger Nicolás Maduro hat mit den typischen Folgen sozialistischer Misswirtschaft zu kämpfen.
Venezuela ist eigentlich steinreich, weil mit riesigen Ölvorkommen gesegnet. Trotzdem haben es die Sozialisten geschafft, das Land ins Fiasko zu steuern mit Maßnahmen wie beispielsweise dieser hier: Um sich die Zustimmung des ärmeren Bevölkerungsteils zu angeln und zu sichern, befand Chávez, dass die Lebensmittelpreise zu hoch seien. Daher ließ er staatliche Verkaufsstellen überall im Land errichten, wo günstige, weil subventionierte Nahrungsmittel angeboten werden.
Mit denen konnten die privaten Supermärkte nicht konkurrieren, und schlimmer noch: Die Preise sind so niedrig, dass die Bauern die Lebensmittel dafür nicht mehr kostendeckend (geschweige denn gewinnbringend) herstellen können. Folge ist, dass der Einzelhandel zusammenbrach und die Bauern ihre Produktion auf Eigenbedarf herunterfuhren. Nun fehlt es an allem, Schlangestehen dominiert das Straßenbild des Landes. Verstaatlichungsorgien taten ihr Übriges dafür, dass die Versorgung kollabierte. Die Welt lachte schon vor Jahren über die Meldung, dass in Venezuela kein Klopapier mehr zu kaufen war. Es tut uns ja leid, aber in einen derart ruinösen Hintergrund lässt sich auch mit aller demagogischen Finesse kein roter Volksheld hinein pinseln…

Weiterlesen: http://www.preussische-allgemeine.de/nachrichten/artikel/tsipras-wird-kult.html

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