Eine Liebe auf den dritten Blick zu einer alten verkannten Kulturlandschaft, die von der Lügenpresse oft an den rechten Rand gedrängt wird – Schimpfname vom HR: “Kornkammer mit braunen Flecken”
Von Klaus Lelek
Viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, bestand die Wetterau für mich lediglich aus dem Mittelstreifen der A5 und dem guten Gefühl, dass mich ab Gießen nur noch vierzig Kilometer vom Rhein-Main-Gebiet trennten. Ab Reiskirchen endlich dreispurig! Keine Quälereien mehr durch endlose Baustellen, vorbei an kilometerlangen LKW-Schlangen mit irgend so einem nervigen Drängler im Nacken oder einem Brummi als Hindernis, dessen langwieriges Überholmanöver mehr als fünf Minuten die zweite Spur blockierte. Die Wetterau, ein Durchgangsland, x-förmig eingekastelt von Deutschlands Autobahnhauptrouten Hamburg-Basel, Ruhrgebiet-München. Dass zu beiden Seiten dieser Horror-Highways eine uralte Kulturlandschaft liegt mit sehenswerten Altstädten, mächtigen Burgen, wie etwa die Münzenberg, Residenzschlössern, Kirchen, Klöstern, keltischen Ringwällen und nicht zuletzt römischen Überresten, erschließt sich dem Vorbeifahrenden nicht einmal auf den zweiten Blick. Die Wetterau hat nicht den Glanz des Rheingaus, Moselgebietes oder Mittelrheins. Mit der Weinstraße, Bergstraße, dem Nahegau und Rheinhessen kann sie nicht konkurrieren. Auch innerhalb Hessens ist sie nicht unbedingt ein Ausflugsziel erster Wahl. Man durchquert sie, um zu spektakuläreren Orten zu gelangen, zum Beispiel nach Marburg, zum Edersee oder auf den 770 Meter hohen Vogelsberg, wo hartnäckige Skiläufer an kalten Märzsonntagen auf frisch verschneiten Waldwegen noch ein wenig Winterfreuden nachholen können. Die Wetterau sitzt in Sachen Kultur- und Touristik-Image am Katzentisch. Dabei hat sie bis zum 3. Jahrhundert zum römischen Imperium gehört. Das Castel Arnsburg, auf dessen Terrain eine der schönsten Zisterzienserkirchen Deutschlands liegt, markierte den nordwestlichsten Zipfel des antiken Weltreiches. Mit unglaublichem Aufwand umwallten die Legionäre ein 30 mal 20 Kilometer breites Gebiet und bestückten es mit zwölf Kastellen und zahllosen Wachtürmen. Ein teurer, strategischer Wahnsinn, der vor allem eine politische Botschaft an das umliegende kalte germanische Barbarenland aussendete: Überall, wo fruchtbare Erde den Boden bedeckt, die Nachfahren keltischer Händler und Bauernvölker leben, ist Rom! Basta!
Der Keltenfürst und die “SS-Wachmänner”
Schon vor den Römern präsentierte sich die Wetterau als Peripherie der Mittelmeer-Hochkulturen. Sein Herrscher residierte hinter hohen Stein- und Erdwällen auf dem Glauberg. Die Untertanen siedeten wertvolles Salz aus dem Wasser der Bad-Nauheimer Mineralquellen und bezahlten mit griechischen Münzen. Als man Ende der 90er Jahre das Grab des mächtigen Mannes und seiner Familie entdeckte, war die Archäologenwelt aus dem „Neo-Bau-Häuschen“. Ob der klobige teure Museums-Kasten für den Keltenfürsten mit den ausgeprägten „Mickymausohren“ angemessen ist oder man besser auf dem kahlen, charakteristischen Ringwallhügel ein Freilichtmuseum mit nachgebauten Fachwerkhäusern – ähnlich wie beim Hessenpark – errichtet hätte, ist Geschmackssache. Die Wiesbadener Kulturapparatschicks entschieden sich für einen Schuhkarton aus Beton, bei dessen Anblick sich der Keltenfürst im Grabe umgedreht hätte. Mehr Wirbel als dieser in die Landschaft geklotzte architektonische Schandfleck wirbelten 2011 zwei Neonazis auf, die zur Bewachung der Bronzezeit-Statue abgestellt wurden. Sie wurden von einem Pressefotografen schnell enttarnt und postwendend gefeuert. Mit ihnen die beliebte Leiterin des Museums, Katharina Kurzynski. Kultusministerin Kühne-Höhmann persönlich schwang die Nazikeule und schickte die unbescholtene Frau in die Wüste. Die Begründung: Die Wachleute hätten wie SS-Männer ausgesehen. Das hätte die Leiterin erkennen müssen. Nun, die SS trug schwarze, das Personal des Wachdienstes, der übrigens Leute aus aller Herren Länder beschäftigt, helle Hemden. Natürlich ohne Runen und Hakenkreuzbinden. Einer der Übeltäter trug sogar einen Spitzbart. Das deutet eher auf Lenin und Ulbricht als auf A.H. hin. Vor fünf Jahren belagerten 2000 Antifa-Demonstranten im Dorf Hochweisel ein Haus, in dem zwei Neonazis wohnten. Über tausend Bereitschaftspolizisten mussten die Wohnung schützen. Der Ort glich einer Festung. Über der Wetterau kreiste stundenlang ein Polizeihubschrauber.
Für die Salonkommunisten in Frankfurt und Wiesbaden ist die Wetterau seit eh und je verbranntes „Neonaziland“. “Kornkammer mit braunen Flecken” textete die Hessenschau. Der Glauberg, eine „neue Kultstätte der Rechten“, fantasierte Frankfurts Antifablatt FR kurz nach dem „Skandal“ um die gefeuerten Wachmänner. Es vergeht kaum ein Tag, an dem die Wetterau nicht mit der NPD in Verbindung gebracht wird. Früher war Wölfersheim das „braune Nest“. Seit der Kommunalwahl hat nun Büdingen den Wanderpokal des linken Stigmas erhalten. Vor einigen Wochen verunglückte vor der Kleinstadt ein Funktionär der Rechten und wurde ausgerechnet von syrischen Flüchtlingen aus seinem Autowrack gezogen. Die Meldung geisterte fast eine Woche lang durch den gesamten deutschen, gleichgeschalteten Blätterwald. Seit dem 12. März ist das romantische, mittelalterliche Residenzstädtchen der Ysenburger Fürsten das Mekka der hysterischen Nazijäger. Scharenweise zerren Journalisten und GEZ-Söldner der öffentlich-rechtlichen Mainstream-Presse biedere Hausfrauen in gediegenen Einfamilienhäusern vor die Mikrophone, fragen ungläubig: „Haben Sie wirklich NPD gewählt und warum!?“ Was sicherlich für manchen Reporter die Fragetour zum Albtraum werden lässt, ist die nicht zu leugnende Tatsache, dass fast in jedem dritten Haus jemand wohnt, der sein Kreuzchen den Rechten gegeben hat, aber man nirgendwo Hakenkreuze, Glatzen oder SS-Runen sieht, sondern Gartenzwerge, Geranien und Vorgartenbuddhas… Herrscht in Büdingen die Banalität des Bösen? Kein Wunder, dass die von weit her gereiste Lügenpresse hier ratlos wieder abreist und die Wahrheit nie erfahren wird, weil sie sie nie erfahren will. Dabei ist die ehemalige Kreisstadt ein geschichtsträchtiger Ort, der mehr als ein Feature über rechte Umtriebe wert wäre. Nicht nur die benachbarte mittelalterliche komplett erhaltene Ronneburg ist sehenswert, sondern auch die ehemalige Herrenhutersiedlung Herrnhaag, deren Zinzendorfer Brüdergemeinde zu Zeiten Goethes ein frühsozialistisches Experiment markiert. Der Vorzeigeaufklärer widmet ihr im „Wilhelm Meister“ ein schier endloses Kapitel. Ebenso erwähnenswert sind das gleichfalls romantische Fleckchen Ortenberg samt Fachwerkidyllen und Schloss, sowie der Wohnsitz des Skandalschriftstellers von Sacher-Masoch in Lindheim. Übrigens erklärter Gegner des im Kaiserreich weit verbreiteten Antisemitismus! Was hilft´s, das rechte Image haftet trotz Asyl für den liberalen Sadomasochisten wie ein Zweikomponentenkleber, ebenso wie das Bild vom tumben, der braunen Scholle verbundenem Landvolk vor den Toren Frankfurts mit seiner „Runkelroiweroppmaschin“ (Runkelrübenrupfmaschine). Man spricht den Zungenbrecher nur dann korrekt aus, wenn man das „R“ wie bei einem Rammsteinsong kräftig betont und rollen lässt. Ein Schelm, der Böses dabei denkt!
Eine poetische Landschaft
Von den Niederungen der Politik hinauf zu den Hügeln und Hainen einer einzigartigen abwechslungsreichen Parklandschaft, wie man sie vielleicht in dieser Form noch am ehesten in Südengland, Mecklenburg oder im Auenland bei den Hobbits im ‚Herrn der Ringe’ findet. Wer so einen Hügel, wie den Galgenberg bei Griedel erklimmt, dem liegt die gesamte Wetterau wie ein Märchenland zu Füßen. Der Taunus in der Ferne erscheint doppelt so mächtig, hat den Charakter eines kleinen Hochgebirges, das am Horizont an die Wolken stößt. Südöstlich davon verliert sich der Blick in die Rhein-Main-Ebene. Hier beginnt der Süden. Sehnsuchtsland der einst Richtung Italien reisenden Kaufleute, Handwerksburschen und Künstler. Hier in der Wetterau bekamen sie erstmals das Gefühl einer anderen Klimazone, die über die oberrheinische Tiefebene bis nach Burgund reicht. Kurz vor der mächtigen Burg Münzenberg steht noch ein vollkommen intakter Galgen. Dort wurden arme Teufel gehenkt, der letzte 1742 nach einem mißlungenen Einbruch. Bevor sich die Schlinge zuzog, durfte der bestialisch Gefolterte noch einmal die schöne Aussicht auf das Auenland genießen. Wie grausam und grauenvoll. Noch grauenvoller, dass es heute wieder Leute gibt, die sich nach solchen Zeiten zurücksehnen oder vor Diktatoren wie Grashalme einknicken, die solche Barbarei immer noch praktizieren, inklusive Festungshaft für böse Dichter …
“Fünf-Kleinflüsse-Land”
Das Weichbild der Landschaft zwischen Taunus und Vogelsberg ist geprägt von fünf Kleinflüssen – unter ihnen die namensgebende Wetter – die kurz hintereinander in der Höhe von Wöllstadt zusammenfließen und ihre Hauptwasserader Nidda zu einem ansehnlichen Fluss anschwellen lassen. Zur Römerzeit trug er sogar kleine Lastkähne. Bei Heddernheim haben Archäologen einen kompletten Hafen ausgegraben. Heute sind nicht einmal Kanuten gern gesehen und müssen die Schimpftiraden erboster Angler über sich ergehen lassen. Gleichfalls verschwunden ist der überall in der Wetterau nachweisbare Weinbau. Heute lassen die terrassierten Hänge nach Süden ausgerichteter Hügel mit alten Obstgärten und Trockenrasenbiotopen wie etwa in Griedel, Dauernheim und Münzenberg oder vor allem am Südhang des Hausberges zwischen Münster und Hochweisel das ehemalige Weinanbaugebiet nur erahnen. Versuche, ihn wieder einzuführen, gibt es in Bad-Nauheim und Oppershofen. Durchgeführt von ehrenamtlichen Hobbywinzern, deren Engagement für die Erhaltung einer alten kulturellen Tradition in Bad-Nauheim mit 250 Euro Pacht bestraft werden. Bei der Landesgartenschau, deren Spuren inzwischen vollständig verschwunden sind, griff der Magistrat freigiebig in Millionenhöhe in den Stadtsäckel. Der Frust des gemeinnützigen Winzervereins, der am Johannisberg fast ein neues, weithin sichtbares Wahrzeichen geschaffen hat, ist nachvollziehbar und er zeigt zugleich das Problem fantasieloser Kommunalpolitiker. Aus der Wetterau könnte man mehr machen. Warum nicht auch wieder Wein anbauen, ökologisch und im größeren Stil. Schließlich wächst der edle Tropfen ja auch im nördlicher gelegenen Elbe-Saale- und Unstruttal, an der Lahn, Untermosel und sogar in Königswinter bei Bonn.
Die einzigartigen breiten Flusstäler mit ihren Auen und Wiesen, in denen sich vermehrt Störche niedergelassen haben, müssten komplett unter Naturschutz gestellt werden, ebenso wie die kleinen Haine und Trockenrasenflächen. Zudem fehlt es an einem ausgewiesenen Wanderwegenetz. Viele Routen führen über asphaltierte Fahrwege, obwohl es genügend Feldpfade gibt. Große Chancen hätte die Wetterau als Radtourismus-Magnet. Hier gibt es mehr zu entdecken als im vollkommen überlaufenen fränkischen Taubertal, wo sich die weit angereisten Radfahrer gegenseitig in die Speichen fahren. Mehr als fünfzehn sehenswerte Schlösser, Burgen und Herrenhäuser, drei Klosterkirchen – eine davon auf dem Schiffenberg mit wunderschönem Fernblick, neun Altstädte sowie die Jugendstilstadt Bad-Nauheim sind auf gut ausgebauten Fernradwegen sicher zu erreichen. Fast alle Orte sind zudem an ein dichtes Schienennetz angebunden, so dass die Fahrt jederzeit unterbrochen und woanders fortgesetzt werden kann. Ein Wermutstropfen: Manche Orte wie Münzenberg haben nicht einmal mehr einen kleinen Lebensmittelladen. Dafür ein Hotel mit einem Zimmerpreis, der mit Wien oder Paris konkurrieren kann.
Identität statt Auflösung
Fazit: Die Wetterau ist wie eine schöne Frau mit einem spröden Charme, in die man sich erst nach dem dritten Anlauf verliebt, vorausgesetzt, dass man sie nicht durch eine Windschutzscheibe von der Autobahn aus betrachtet. Sie hat viele Gesichter. Grüne breite Wiesentäler, in denen man schon die Weite der norddeutschen Tiefebene ahnt, sonnige Schafweiden und alte Obstbaumterrassen, die einen Hauch Süden spürbar werden lassen und schattige Buchenwälder. Auf dem kahlen keltischen Glauberg kommt man sich vor wie in Irland und im idyllisch gelegenen Bad-Salzhausen wie in einem englischen Landschaftspark. Im Norden grüßt der fünfhundert Meter hohe Dünsberg, gekrönt von einer imposanten keltischen Ringwallanlage. Im Westen erhebt sich der gleichfalls keltische Hausberg. Die Wetterau ist das Herz Deutschlands, Heimat und Sehnsucht nach Ferne zugleich. Uraltes Durchgangsland und gleichzeitig ein Ort der Geborgenheit. Die Wetterau steht für IDENTITÄT. Das benachbarte Frankfurt dagegen steht für die Auflösung jeglicher Identität zugunsten einer diffusen Internationalität, Globalität und eines illusionistischen Weltbürgertums mit einseitiger Toleranz und masochistischen Anpassungsreflexen. „Deutschland abzuschaffen“, ist nicht nur ein Kampfruf der Antifa, sondern wird auch in anderer Form von den Frankfurter Bankern und Börsianern propagiert. Deren Heimat ist dort, wo der meiste Mammon rollt. In manchen Chefetagen ist Englisch längst Umgangssprache und da ist es schnurzegal, ob die traditionsreiche, seit 1585 bestehende Frankfurter Börse nach London umzieht. In Frankfurt ist sie längst nicht mehr, sondern im benachbarten Eschborn, weil dort die Gewerbesteuer günstiger ist. Menschen ohne Identität sind wie Müllschlucker. Sie fressen alles in sich hinein, ohne sich zu fragen, ob sie es überhaupt verdauen können. Manche der unverdaulichen Brocken führen zu Magengeschwüren, andere gar zu Karzinomen. Menschen, die am Rande eines solchen gefräßigen Molochs wohnen, kennen die Gefahr und wissen gleichzeitig die Vorteile einer intakten Identität zu schätzen. Will man ihnen die Müllschluckermentalität aufzwingen, reagieren sie ungehalten. Ob sie dabei immer den richtigen Weg wählen oder wütend übers Ziel hinausschießen, sei dahingestellt. Wer in einem alten Fachwerkhaus wohnt, das er aufwendig restauriert hat, mit der freundlichen Nachbarin gern einen Plausch hält, seinen “unreinen” Hund ausführt und sich liebevoll um Streuobstwiesen kümmert, denkt anders über sich und die Welt als ein arabisches Clanmitglied in Duisburg-Marxloh und hat meist auch andere Wertvorstellungen. Der möchte seine heile und intakte Welt erhalten und nicht zu einem heruntergekommenen Vorort von Kairo, Bagdad oder Istanbul werden lassen.