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Post von Wolfgang: Liebe Tess Holliday!

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Von Wolfgang Luley

Liebe Tess Holliday,

mit Ihrer Kleidergröße 54 entsprechen Sie dem Traum einiger Männer, aber leider nicht dem von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Darum hat Facebook ein Werbefoto von Ihnen gelöscht.

Das Foto zeigt, wie Sie im Bikini posieren. Für Zuckerberg aber präsentieren Sie Ihren Körper in einer „nicht wünschenswerter Weise“.

Was Herr Zuckerberg für wünschenswert hält, ist mir schnuppe. Auf Facebook wird eine Jagd auf alles gemacht, was irgendwie „anstößig“ sein könnte. Ich selbst habe einmal erlebt, wie ein Beitrag von mir gelöscht wurde. War es ein Hasskommentar? Nein. War es PORNOGRAFIE? Nein. Es war ein Foto mit einer Katze drauf, die mit einem Ball spielt. Auf die Antwort meiner Nachfrage warte ich noch heute! Wie mag es zu solchen Zensuren kommen?

Ich selbst habe eine Theorie, was Herr Zuckerberg für anstößig hält. Ich glaube, der verbindet sich die Augen mit einer Binde, während seine Mitarbeiter zufällige Beiträge aus Facebook auswählen, die auf einem Bildschirm gezeigt werden, den Zuckerberg antippen muss. Und den Beitrag, den er trifft, den trifft es dann, und der gilt fortan als „anstößig“. Anders jedenfalls kann ich mir nicht die Begründungen erklären, die zur Zensur von Katzenfotos oder Werbeanzeigen dicker Modelle führt.

Es ist doch eigenartig, was Facebook sich, in Gestalt des Herrn Zuckerberg, einbildet? Zuckerberg führt die Zensur ein, auf der Grundlage von irgendwelchen „Gefühlen“, die verletzt werden können. Eine Frau ist zu dick, andere könnten sich unwohl bei diesem Anblick fühlen, also wird die Anzeige mit just diesem Modell zensiert. Jemand schreibt einen kritischen Kommentar gegen Politiker, weil er sie für korrupt und opportunistisch hält, schwupp, wird der Kommentar gelöscht. Angeblich wird aber die Meinungsfreiheit gewährt. So reden nur Irre!

Ich finde es nett, dass sich Herr Zuckerberg einbildet, er wüsste genau, was wir alle fühlen und wie dementsprechend zu reagieren sei. Mütter hängen diesem Wahn auch an, wenn sie über ihre Kinder sprechen und ganz genau zu wissen glauben, was die gerade fühlen. Sie wissen es meist nicht, weil Kinder mal dieses und mal jenes fühlen. Außerdem: Warum muss man immer auf die Gefühle von anderen Leuten Rücksicht nehmen? Wenn einer den Anblick einer fetten Rothaarigen nicht ertragen kann, soll er sie nicht begaffen. Und stört sich wer an dem Bild einer spielenden Katze, soll er eben ein Foto seines geliebten Bellos teilen.

Vermutlich kämpft Zuckerberg aber nicht gegen schlechten Geschmack, weil er ein großer Ästhet ist und vermutlich kämpft er gegen beleidigende Kommentare nicht deshalb, weil er so gerecht ist, vielmehr maßt er sich an, zu deuten, was wir Facebook-Nutzer als gut, als richtig, empfinden sollen. Womit sich die Tragödie wiederholt, die Kinder mit ihren Eltern erleben. Die merken irgendwann, dass ihre Kinder eigenständig denken und manchmal auch Partei für die Gegenseite ergreifen. Und was tun Eltern dann? Genau, sie schreiben ihren Kindern vor, was gut und richtig zu sein hat. Meist klappt das, meist klappt das nicht. In der Regel bringt es nur den Haussegen in Schieflage.

Den Haussegen in Schieflage bringt auch Zuckerberg mit seiner anmaßenden und moralisierenden Art. Für meine Begriffe versucht er damit nur, eigene Unmoral zu verdecken. Wer legt Datenprofile seiner Nutzer an, damit Werbung individuell abgestimmt werden kann? Wer arbeitet Hand in Hand mit der Regierung zusammen, um sogenannte „Hasskommentare“ zu löschen? Na? Wenn Facebook etwas ist, dann eine Plattform, in der Nutzer den Interessen von Konzernen ausgesetzt sind und sie sich Zensur gefallen lassen müssen. Sei es, dass ihre Kritik als „Hass“ uminterpretiert wird, oder sei es, dass eine Frau nicht die Maße annehmen darf, die ihr gefallen.

Für mich ist Zuckerberg ein Jüngelchen, der sich mit Facebook sein eigenes Königreich geschaffen hat und allen seinen Willen aufzwingen will. Und dabei bleibe ich, auch wenn Facebook die Zensur der Werbeanzeige rückgängig gemacht hat.

Ich finde es richtig, dass Beleidigungen geahndet werden. Nur müssen es auch Beleidigungen sein und nicht einfach nur missliebige Äußerungen, die unserem Justizminister Heiko Maas (SPD) übel aufstoßen, weshalb er eine ehemalige Stasi-Mitarbeiterin engagiert hat, damit sie auf Facebook jagt auf Beiträge oder Kommentare macht, die negative Gefühle bei ihm und der Regierung auslösen.

Was Facebook, in Gestalt Mark Zuckerbergs, wünscht, ist ein Nutzer ohne Ecken und Kanten. Er soll all seine Daten preisgeben, damit sich Firmen aussuchen können, was sie mit den Daten alles anstellen können und er soll keine eigene Meinung haben. Er soll brav predigen, was ihm Konzerne und Facebook vorgeben. Und wehrt er sich dagegen, „verletzt“ er ihre Gefühle. Die Utopie Mark Zuckerbergs und der Wirtschaft besteht im gläsernen Menschen. So denken Irre!

Überhaupt: Wer zwingt uns, bei Facebook zu bleiben?

Liebe Tess Holliday, wen interessiert Zuckerbergs Meinung? Das Internet ist füllig, es bietet Platz für uns alle. Es sollten mehr Netzwerke gegründet werden. Kinder ziehen ja auch irgendwann von Zuhaus aus. Jedem Internetnutzer sein eigenes Facebook! Und die Konzerne haben nur die Macht über uns, die wir ihnen gewähren!

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Luley

http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/facebook-sperrt-werbung-mit-tess-holliday-im-bikini-zu-dick-a-1093843.html

http://www.taz.de/Sexismus-in-Social-Media/!5307591/

 

 

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