Von rote pille
Wenn man die Presse kritisiert, findet man sich meist unbewusst in der Rolle des Verteidigers wieder. Überwiegend hat man seine liebe Mühe damit, Angaben zu korrigieren, auf Fehlschlüsse hinzudeuten oder aus dem Kontext gerissene und verdrehte Zitate richtig zu stellen. Man kann das vergleichen mit einer Fußballmannschaft, die gezwungen ist, im eigenen Strafraum zu spielen.
Bleiben wir zunächst bei dieser Analogie: wie sähe das in einem richtigen Spiel aus, wenn der Ball ständig um das eigene Tor herum fliegen würde? Wie würde der Kommentator das bewerten?
Sicherlich wäre von einer Dominanz der gegnerischen Mannschaft die Rede, was sich im Ergebnis auch widerspiegeln würde, denn unser Tor ist stets bedroht, nicht das der Gegner. Foulspiel von unserer Seite würde zu einem Elfmeter führen, während der Gegner höchstens einen Ballverlust zu befürchten hätte. Keine guten Aussichten für uns.
Schauen wir uns deshalb die gegnerischen Spieler, die den Ball so nahe an unser Tor bringen, an, oder wieder auf die Presse übertragen: die Methoden, mit denen die Presse ihre Intention erreicht, nämlich die öffentliche Meinung in politischen Fragen in ihrem Sinne zu manipulieren.
Wir müssen zunächst feststellen, dass Fakten nicht dazugehören.
Nehmen wir beispielsweise die Ungleichheit der Vermögensverteilung. Für sich eine vollkommen bedeutungslose Angabe, die keine spezifische Meinung impliziert. Um die Notwendigkeit einer politischen oder gesellschaftlichen Änderung zu argumentieren, müssen wir ein Urteil über diese Tatsache fällen. Ein Urteil ist jedoch nichts anderes als ein Abgleich mit einem Ideal. Für das gegebene Beispiel könnte das Ideal folgendermaßen aussehen: „die reichsten 20% sollten nicht mehr als doppelt soviel haben als die ärmsten“ oder „die Verteilung ist gerechtfertigt, wenn sie so und so zustande gekommen ist“.
Und hier setzt die Manipulation an.
Der Propagandist bringt meist richtige Fakten und fällt sein Urteil, vermeidet es jedoch strikt, seine Idealvorstellungen offenzulegen oder zu begründen, um eine Diskussion auszulösen, in der seine Idealvorstellungen als selbstverständlich betrachtet und damit implizit anerkannt werden. Das eigentliche Ziel seiner Propagandatätigkeit besteht nämlich nicht darin, dass das Ergebnis der Diskussion in jedem Detail seiner Meinung entspricht oder dass alle angegebenen Fakten hängen bleiben.
Worauf es ihm ankommt ist die Implementierung seiner Idealvorstellungen im Kopf des Lesers, ohne dass er sie explizit begründen muss.
Diese Idealvorstellungen könnten natürlich ebenfalls Diskussionsgegenstand einer auf einer höheren Ebene werden. Wenn man es schaffen würde, auf dieser Ebene zu überzeugen, dann hätte man automatisch auch auf allen niedrigeren Ebenen die Oberhand. Es macht beispielsweise keinen Sinn darüber zu diskutieren, was die Regierung bezüglich der Verteilung machen sollte, wenn die Idealvorstellung ist, dass jede Verteilung akzeptabel ist. Umgekehrt wird impliziert, dass die Regierung irgendetwas machen muss, falls die Idealvorstellung eine Gleichverteilung ist, denn die Tatsache der Ungleichverteilung zu leugnen ist aussichtslos.
Man braucht nicht viel Fantasie um sich die Gründe dafür auszumalen, wieso der Propagandist ein Interesse daran hat, dass seine Idealvorstellungen unhinterfragt transportiert werden. Das Spektrum der Denkmöglichkeiten wird dadurch erheblich eingeschränkt auf den dem Propagandisten ideologisch genehmen Bereich. Es versteht sich von selbst, dass eine kategorische Ablehnung gegenüber seiner Position sehr unwahrscheinlich ist, wenn seine Ideale geteilt werden.
Ein Frontalangriff auf die Propaganda bedeutet also, diese Idealvorstellungen ans Licht zu zerren und sie zum Gegenstand der Diskussion zu machen. Hier ein kleiner Überblick der Maßstäbe, die uns aufgedrängt werden:
1) eine egalitäre Vermögensverteilung ist einer ungleichen moralisch überlegen,
2) (gewaltfreier) Rassismus ist unmoralisch,
3) Steuerhinterziehung ist unmoralisch,
4) wir haben eine moralische Pflicht, Kriegsflüchtlinge aufzunehmen,
5) die Förderung der Erwerbstätigkeit und des beruflichen Erfolgs von Frauen ist ein moralischer Imperativ,
6) hohe private Gewinne sind unmoralisch,
7) Demokratie ist ein wünschenswertes und moralisch überlegenes politisches System,
8) menschengemachter Klimawandel existiert und es gibt eine Pflicht, ihn zu bekämpfen.
Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Gut, das sind natürlich alles moralische Standpunkte, die man einnehmen kann. Aber was hat das mit Propaganda zu tun? Schauen wir mal, wie diese Standpunkte kommuniziert werden:
1) Wurde eigentlich schon behandelt. Einem Umverteilungspolitiker oder einer entsprechenden Partei kann es egal sein, ob der Balken des 1% die Skala um den Faktor 2 oder 5 sprengt, oder welche Maßnahme genau dagegen vorgeschlagen wird. Wichtig ist ihm, dass die Ungleichheit selbst als Fehler betrachtet wird, der nach Korrektur verlangt. Diese „Tatsache“ wird selbst nicht angezweifelt.
2) Ich nehme an, Sie haben schon hunderte Diskussionen gesehen, in denen es darum ging, ob jemand etwas Rassistisches gesagt hat, es falsch interpretiert wurde oder ob irgendetwas rassistisch ist. Dem Propagandisten ist es selbstverständlich gleichgültig, ob eine Person rassistisch war oder nicht. Die Message, die hängen bleiben soll, ist: „Rassismus ist unmoralisch!“ Alle Vorwürfe verlieren ihre Bedeutung und Diskussionswürdigkeit, wenn man diese Annahme widerlegen kann. Eine Debatte darum findet jedoch niemals statt, obwohl oder eigentlich gerade weil auf diesem Fundament viel Politik gemacht wird.
3) Oft werden Artikel gebracht, in denen versucht wird, das Ausmaß der Steuerhinterziehung zu schätzen oder um eine Diskussion darüber zu eröffnen, wie man sie am besten verhindern kann. Aber niemals wird gefragt, wieso wir moralisch dazu verpflichtet sein sollen den Forderungen des Staates nachzukommen. Auch bei der Debatte um die Abschaffung des Bargeldes wird als Grund angegeben, dass man Steuerhinterzieher leichter verfolgen möchte und damit impliziert, dass das ein wünschenswertes Ziel sei – was ich anzweifeln möchte.
4) Die Flüchtlingsdebatte wird nur im von den Propagandisten gewünschten Rahmen geführt. Man streitet um die Zahl der Flüchtlinge, die ein Land verkraften kann, oder die Motivation, die sie her führt. Aber nicht einmal die Pseudokritiker zweifeln an, dass wir die moralische Pflicht haben, ihre Versorgung sicherzustellen, falls sie bestimmte Kriterien erfüllen. Die Propaganda zu entlarven bedeutet auch dieses Dogma anzugreifen.
5) Propagandist: „Was können wir [gemeint ist natürlich die Regierung] tun, um Mädchen für XY zu interessieren? Was können wir [s. o.] tun, um den Frauenanteil zu erhöhen?“ Wer sich auf die Diskussion einlässt, hat schon verloren. Die richtige Frage ist: Warum um alles in der Welt sollte irgendjemand sich verpflichtet fühlen in der Hinsicht überhaupt irgendetwas zu tun?
Die letzten Punkte überlasse ich dem Leser, weil die Behandlung von allen Themen den Rahmen sprengen würde. Auch wenn man die beschriebenen Ansichten teilt, wird man bei aufmerksamer Beobachtung feststellen können, wie die Propagandisten versuchen einem diese Dinge aufzudrängen, mehr oder weniger ohne explizit darauf einzugehen.
Die aufgelisteten Ideale bilden ein System, welches ich als „öffentliche Moral“ bezeichne und die von Medien und Politik diktiert wird. Im Gegensatz dazu steht die „private Moral“, also die moralischen Normen, die wir im Privatleben akzeptieren.
Die werden schon kleinen Kindern beigebracht: „nicht schlagen, nicht schubsen, nicht stehlen, nicht zerstören“. Niemanden zu schlagen, schubsen oder auf irgendeine andere Weise körperlich zu bedrängen ist gleichbedeutend mit der Anerkennung des Rechts, exklusive Kontrolle über den eigenen Körper auszuüben. Die Sachen eines anderen Kindes nicht zu stehlen oder zu zerstören ist nichts anderes als die Anerkennung des Rechts auf exklusive Kontrolle über Gegenstände, die wir uns auf irgendeine Weise – ob durch Erstbenutzung oder Übertragung – angeeignet haben. Für das Recht auf exklusive Kontrolle gibt es einen Begriff: Eigentum. Die private Moral besteht somit in der Anerkennung von Selbsteigentum und Eigentum und wird im Privatleben auch generell akzeptiert.
Die Eigentumsrechte haben ihre philosophische Fundierung. Eine Ethik kann nur widerspruchsfrei verteidigt werden, wenn sie auf Eigentumsrechten basiert.
Hier eine abgespeckte Vorstellung [1]: Wenn jemand vorschlägt, dass man nicht das exklusive Recht auf die Benutzung seines eigenen Körpers hat, dann entsteht ein Widerspruch zwischen dem Vorschlag und der Handlung des Sprechers. Das Argumentieren selbst macht nämlich keinen Sinn, wenn der Gesprächspartner nicht das Recht auf exklusive Kontrolle über seinen Körper hat, da es nicht mehr an ihm läge zu entscheiden, ob er sich überzeugen lässt. Man könnte genauso gut zu einem Baum sprechen. Ebenfalls muss man das Recht voraussetzen, sich Dinge anzueignen, d.h. über Eigentum zu verfügen. Um überhaupt die Möglichkeit haben zu argumentieren, musste man schließlich etwas konsumieren (sonst wäre man schon lange tot), also exklusive Kontrolle über das ausgeübt haben, was man „verkonsumiert“ hat. Eine moralische Norm vorzuschlagen die besagt, dass man nicht das Recht auf diese exklusive Kontrolle hatte, wäre demnach unlogisch.
Da man also das Eigentum und Selbsteigentum nicht generell abstreiten kann, ohne sich in einen performativen Widerspruch zu verwickeln, und moralische Normen universell sein müssen (Kants goldene Regel), folgt daraus, dass Eigentum und Selbsteigentum universell gültige moralische Normen sind, die nicht nur bezogen auf den Gesprächspartner bzw. auf das zum Überleben notwendige gelten, sondern für alle Menschen bzw. für alle materiellen Dinge, die man sich angeeignet hat ohne mit einem früheren Eigentümer in Konflikt geraten zu sein. Es kann keine Fälle geben, in denen das Gegenteil davon moralisch richtig ist.
Es gibt einen Grund, wieso die Propagandisten die Diskussion der öffentlichen Moral scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Denn diese öffentliche Moral steht im scharfen Kontrast zu der privaten Moral, weil Sie die Verletzung von Eigentumsrechten zur Tugend erklärt und deren Verteidigung zum Verbrechen.
Springen wir zurück zu den Beispielen. Wenn der öffentlichen Moral nach die ideale Vermögensverteilung eine Gleichverteilung oder zumindest eine ziemlich egalitäre ist, dann ist die Ansammlung von Eigentum bei Reichen unmoralisch und die Missachtung ihres Eigentums eine Wiederherstellung der Gerechtigkeit. Das verträgt sich natürlich nicht mit den richtigen moralischen Prinzipien. Nur wenige Privatpersonen würden auf die Idee kommen, die „Korrektur“ der Verteilung selbst in die Hand zu nehmen und Robin Hood spielen, und auch nur, wenn ein Großteil der Reichen sich ihre Vermögen durch Korruption angeeignet hätten, also die Achtung der Eigentumsrechte in der Gesellschaft schon stark beschädigt ist. Die Regierung allerdings pfeift darauf und wird sich alles nehmen was nicht niet- und nagelfest ist.
Wie sieht es aus mit der heiligen Kuh der politischen Korrektheit, dem Antirassismus?
Rassistische Gewalt ist selbstverständlich unmoralisch, jedoch nicht wegen dem Motiv, sondern ausschließlich wegen der Gewalt gegen einen fremden Körper. Aber betrachten wir einen rassistischen Geschäftsmann, der keine Gewalt ausübt, sondern sich lediglich weigert, an bestimmte ethnische Gruppen Waren zu verkaufen oder sie einzustellen. Vom moralischen Standpunkt aus ist er 100% im Recht. Er ist Eigentümer, hat also das Recht auf exklusive Kontrolle über sein Hab und Gut und kein Mensch auf der Welt hat ihm vorzuschreiben, an wen er verkaufen oder Löhne zahlen soll und an wen nicht.
Jeder Zwang ihm gegenüber ist ein durch nichts zu rechtfertigendes Verbrechen. Genauso wenig angreifbar sind vom moralischen Standpunkt aus Beleidigungen aller Art, darunter auch rassistische, weil durch sie weder Schaden am Körper noch am Eigentum einer fremden Person verursacht wird [2]. Die Inquisition aus Politik, Medien, „breiten Bündnissen“, und staatsfinanzierten, gewalttätigen linksradikalen Gruppen basieren ihre Verfolgung Andersdenkender, selbst wenn es sich tatsächlich um Rassisten handelt, demzufolge auf nichts anderem als ihren persönlichen Ansichten und verdienen deswegen nicht mehr Respekt als jede x-beliebige Terrorgruppe.
Steuerhinterziehung ist das Nächste auf der Liste. Oder anders formuliert: die Verteidigung seines Eigentums gegen die moralisch unhaltbaren Ansprüche des Staates. Es braucht selbstverständlich Propaganda, um den Aggressor, den Staat, als moralisch überlegene Instanz darzustellen und die Opfer der Aggression zu beschuldigen, weil sie sich gewehrt haben, oder sie in die Nähe von Betrügern zu stellen.
Die Steuern braucht es unter anderem für die Flüchtlinge. Aber aus dem bereits Erklärten folgt, dass es keine Pflicht gibt, deren Versorgung sicherzustellen, denn niemand hat irgendeinen wie auch immer gearteten Anspruch auf fremdes Eigentum. Alles was nicht freiwillig gegeben wurde, wurde von der Regierung geraubt. Man kann davon ausgehen, dass die Begrenzung der Versorgung auf private Spenden die Anzahl der Flüchtlinge effektiver reguliert hätte als jede Grenzkontrolle, und die Knappheit der Mittel auch dafür gesorgt hätte, dass sie in den Lagern vor Ort eingesetzt werden, und zwar 10 Mal effizienter.
Genauso wenig gibt es eine Pflicht Frauen zu fördern. Sämtliche Zwänge, die dazu führen sollen, wie Frauenquoten oder die Pflicht, gleiche Löhne zu bezahlen, und die durch die Macht des Staates und somit unter Androhung von Gefängnis durchgesetzt werden, sind nichts anderes als eine Missachtung von deren Eigentumsrechten. Privat käme niemand auf die Idee so etwas zu machen. Selbst equal-pay-freundliche Politikerinnen wie Hillary Clinton bezahlen ihren männlichen Mitarbeitern mehr, wahrscheinlich weil sie mehr leisten, obwohl sie formal die gleiche Arbeit verrichten [3].
Die öffentliche Moral basiert also nicht auf tatsächlich gültigen moralischen Grundsätzen, sondern auf willkürlichen politisch genehmen Dogmen, deren Diskussion niemals stattfinden darf, um die politische Agenda nicht zu gefährden. Die Etablierung der Dogmen ist der Zweck der Propaganda, die nur solange funktioniert wie man sich auf Debatten im vorgegebenen Rahmen einlässt.
[1] Für eine längere Version siehe hier: http://www.misesde.org/?p=5442 oder in Hans Hermann Hoppes Buch „The Economics and Ethics of Private Property“ ( https://mises.org/library/economics-and-ethics-private-property-0 ). Eine ausführliche Behandlung wäre vielleicht angebracht, würde aber den Rahmen sprengen.
[2] Das impliziert nicht, dass auf Privatblogs oder -grundstücken Beleidigungen von Eigentümer toleriert werden müssen oder dass jeder verpflichtet ist, mit unhöflichen Individuen zu diskutieren.
Der Beitrag erschien zunächst auf Wissensfieber