Erdingers Weissheiten – Das Schlimmste von gestern
Von Max Erdinger
In der WELT erschien ein bemerkenswerter Artikel aus der Feder jenes jungen und zielstrebigen Sprosses aus dem Hause derer von Dams, welcher mit Vornamen Jan heißt und eine Brille auf hat. Bis zum stellvertretenden Ressortleiter für Wirtschaft und Finanzen hat er es schon gebracht, obwohl ihm noch nicht einmal einen Bart wächst. Das bedeutet: Der junge Dams muß Artigkeiten sämtlicher Schleimspurlängen hinter sich gelassen haben. Schließlich wird die Bunterepublik Deutschland von drei Freundinnen aus dem „Dressuradel“ (Klassifizierung nach Raddatz) regiert, von denen wiederum zwei sich aus einfachen Verhältnissen heraus durch die Vortäuschung von Anmut & Liebreiz deutlich über Niveau positionieren konnten – und die dritte einen Kanzleringemahl hat, der im Vorstand der Stiftung einer der beiden Anderen sitzt. Es handelt sich um Liz Mohn für Bertelsmann und Friede Springer für die WELT. Unlustige Verlegerswitwen beide, für deren Letztere der stellvertretende Ressortleiter Dams schreibt. Also titelt Jan Dams gleich einmal:
„Warum es Deutschland so gut geht wie noch nie“
… sapperlott, weiß der Geier, warum mir das noch nie aufgefallen ist. Aber es stimmt natürlich. Noch vor 45 Jahren konnte ein deutscher Facharbeiter mit seinem Einkommen eine vierköpige Familie ernähren, seine Frau blieb zuhause, die Kinder hatten eine erreichbare Mutter – und das Einkommen reichte außerdem noch für ein Auto, den Bau eines Häuschens und den Jahresurlaub am Sandstrand von Rimini. Das ist wirklich viel besser geworden. Heute braucht man sogar schon zwei normale Einkommen, um sich so zu bewaffnen, daß man am Strand von Rimini den Überfällen schwarzafrikanischer Rolex-Händler Paroli bieten kann. Aber mal sehen, vielleicht hat Jens der Sichtgeschwächte ja auch noch etwas, wie soll ich sagen … sichtbareres vorzuweisen zur Untermauerung seiner These von der Spitzenstellung der Deutschen als Weltmeister der internationalen Gemütlichkeit. Was schreibt er also? Das hier: „Die Bundesrepublik steht in der Welt ausgezeichnet da, wie eine Studie zeigt. Konkurrenten wie Frankreich oder die USA sind lange abgehängt. Dass Deutschland so gut dasteht, hat vor allem zwei Gründe.“
Jede Wette: Dams selbst ist einer davon. Und seine Mama der andere. Aber sei´s drum: Hier die zwei Gründe für die Spitzenstellung der Deutschen im internationalen Vergleichsspiel zur weiteren Steigerung der heimischen Gemütlichkeit, -nach Studium der Studie dem Leser rechtschaffen dargelegt von Jan Dams, der keinen Bart, sondern eine Brille hat und deswegen besonders gut sieht. Er schreibt: „“Kaum ein anderer Industriestaat hat sich mit Blick auf die eigene Zukunftsfähigkeit in den vergangenen zehn Jahren so positiv entwickelt“, ergibt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, die die Regierungsführung in den entwickelten Industrieländern bewertet (Sustainable Governance Indicators, kurz SGI).“
Wer ist da nicht geneigt, sich den Jungdams am Ohrläppchen heranzuziehen und ihm eine umfangreiche Belehrung zu erteilen? Schon geht´s los: „Ein Industriestaat hat sich mit Blick auf die eigene Zukunftsfähigkeit positiv entwickelt, Dams? Bin ich ein Mercedes, du gläserne Nase? Ist auch mein Land nichts außer einem Industriestaat? Leben in Deutschland Fabriken, die arbeitende Menschen mit Geld bespucken, wohlwissend, daß die sich solange nicht umbringen werden, wie es irgendwo noch einen Cent vom Boden aufzuheben gibt? Ist das die menschliche Gesellschaft, in der es den Deutschen so gut geht wie noch nie? Fang´ jetzt bloß nicht zu heulen an, Mamis Materie! Industriestaat-positiv-Deutschland-gut-geht. Sei froh, daß man heute nicht mehr so leicht maulschelliert wird, wie früher noch. Industriestaat geht mit Industrie. Industrie geht mit Produktivkräften. Das müssen nicht notwendigerweise Deutsche sein. Wie war das? Deutschland geht es so gut wie noch nie? Wessen Land ist Deutschland denn? Dasjenige irgendwelcher x-beliebigen Produktivkräfte oder das der Deutschen? Wie bitte? Und was ist überhaupt ein Bertelsmann? Ich sage dir, was ein Bertelsmann ist: Klemmt´s beim Regieren dann und wann, hilft ein gekaufter Bertelsmann. Das ist ein Bertelsmann! Und der wiederum ist einer Freundin deiner Chefin hörig, die wiederum eine Freundin jener Kanzlerin ist, die just in dem Moment das Land regiert, in dem du schreibst, daß es diesem Land so gut geht wie nie zuvor. Du schreibst den ganzen Mist hier, weil du gerne vom stellvertretenden Ressortleiter zum Ressortleiter werden willst. Das ist der einzige Grund dafür, daß es dein bartloses Jungschleimergeschmiere überhaupt gibt.“
Tja, hätte er die Ansprache nur rechtzeitig gehört. Hat er aber nicht. Und deswegen haut der zielstrebige Tausendsassa jetzt erst richtig auf den Putz: „Die großen Konkurrenten hat die Bundesrepublik damit derzeit klar abgehängt: Großbritannien zum Beispiel, die Brexit-Nation, liegt laut der Studie auf Platz neun. Frankreich, der wichtigste europäische Partner, rangiert auf Platz 18. Japan kommt auf 23, und die größte Volkswirtschaft der Welt, die USA, folgt sogar erst auf dem 26. Rang. Wann konnten die Deutschen jemals so hoffnungsvoll in die Zukunft blicken?“ Da kann ich ihm weiterhelfen. Zuletzt konnten die Deutschen vermutlich so hoffnungsvoll in die Zukunft blicken, als er sich bei der Selbstbefriedigung derartig die Griffel gebrochen hatte, daß gute Aussichten bestanden, er würde nie wieder etwas schreiben können.