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Tod eines Mistkerls oder: Menschen sind nicht gleich

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Von Friedrich Fröbel

„Finnland erschrickt über Gewalt von rechts“, titelt die Zürizitig, pardon, „Neue Zürcher Zeitung“. Und weiter heißt es: „Der Tod eines Immigranten, der bei einer rechtsextremen Manifestation attackiert wurde, schlägt hohe Wellen in Finnland. Die Regierung wird kritisiert, bloss Alibi-Politik zu betreiben.“

Und noch weiter: „Finnlands Regierungskoalition, der auch die rechtsnationale Finnen-Partei angehört, sieht sich der Beschuldigung ausgesetzt, nicht energisch genug gegen Rassismus und Rechtsextremismus vorzugehen. Die jüngste Kritik an der Regierung wurde nach einem Zwischenfall im Zusammenhang mit einer Demonstration rechtsextremistischer Gruppierungen in Helsinki laut, bei der ein Immigrant tätlich angegriffen wurde. Er erlag später im Spital seinen Verletzungen.“

Verlinkt ist in diesem Abschnitt immerhin ein Bericht der „Helsinki Times“ über den Vorfall. Wohl im Vertrauen darauf, daß niemand draufklickt.

Der NZZ-Schreiber Rudolf Hermann teilt, man kann nur annehmen absichtlich, keinerlei Details zu dem „Zwischenfall“ mit, außer, der Immigrant sei „im Spital seinen Verletzungen“ erlegen. Was eine dreiste Lüge ist, denn der verlinkte Original-Artikel der Helsinki Times teilt mit, der Mann sei laut Pressemitteilung der Polizei „einen Tag nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus gestorben“. Nix „ins Koma geprügelt“ oder so, welche Assoziation das Weglassen aller Details – außer des erlogenen – in den wohlvorgewaschenen Gehirnen der westlichen Gutmensch-Leserschaft auslösen soll. Aus medizinischer Sicht kann das Versterben des Migranten nur ein arg unglücklicher Zufall gewesen sein, sonst hätten die Ärzte ihn nicht aus dem Krankenhaus entlassen. Entsprechend wird auch nicht wegen vorsätzlicher, sondern wegen fahrlässiger Tötung ermittelt. Das spricht eine hinreichend deutliche Sprache, denn (zumindest mal „versuchsweise“) bedingten Vorsatz anzunehmen ist  in einschlägigen Fällen wahrlich nicht schwer.

Ja, aber wie kam es eigentlich zu diesem „Zwischenfall“? Der junge Mann sagte gegenüber der Polizei im Krankenhaus aus, er sei an den Demonstranten vorbeigelaufen und habe „gespuckt“, woraufhin er angegriffen worden sei, einen anderen Grund für den Angriff habe es nicht gegeben (Er selbst sagte damit genau genommen, nicht seine Hautfarbe, sondern das Spucken sei der Grund für den Angriff gewesen). Das Englische ist leider nicht so präzise, hier zwischen „ausspucken vor“ und „anspucken“ zu unterscheiden. Beides aber wäre ein grober Ausdruck von Mißachtung gegenüber den einheimischen Demonstranten.

Wie kam er dazu? Er war Gast in Finnland. Ein Fremder, ein Zugewanderter, höchstvermutlich illegal. Ich male mir gerade an meinem eigenen Beispiel die Absurdität dieser Situation aus: Ich selbst bin Ausländer im Ausland, Deutscher unter lauter Italienern (und nicht wenigen Franzosen). Ich habe hier viele freundschaftliche Bekanntschaften bis Freundschaften geknüpft. Aber jedesmal, überall, an der Supermarktkasse, in der „Bar“ (was hierzulande bedeutet: beim Frühstück mit Cappucino, Brioche und Spremuta, nicht zu verwechseln mit dem, was außerhalb Italiens als „Bar“ bezeichnet wird), im Laden, in der Autowerkstatt, wo auch immer, bin ich mir bewußt: Das hier ist ihr Land, das Land der Italiener, ich bin jedesmal wieder und immer gleichbleibend dankbar, daß sie mich akzeptieren, als Nicht-Italiener, daß sie überhaupt, noch dazu freundlich, mit mir reden. Was sicher daran liegt, daß sie spüren, daß ich sie mag, daß ich mich für ihre Kultur begeistere, ihre Sprache liebe, daß ich „ihren“ Dante unter dem Arm trage (nicht immer, aber gerne). Nie, niemals käme ich auf den Gedanken, Italiener im eigenen Land zu beschimpfen, ihnen gegenüber Mißachtung auszudrücken. Es käme mir nicht zu, selbst wenn ich so empfände.

Ja und, bin ich etwa der Maßstab? Wenn man als Maß die allseitige Erfreulichkeit und Reibungslosigkeit des hiesigen Zusammenlebens nimmt: Ja. Jener „Immigrant“ dagegen war offenbar ein höchst unerfreulicher – Mistkerl.

Man stelle sich übrigens mal kurz vor, was passiert wäre, wenn ein Deutscher vor einer Gruppe Mohammedanern, wie genau auch immer, „gespuckt“ hätte. Unvorstellbar? Eben.

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