Von Christian Ortner
Jene, die gerade in großer Zahl und manchmal unter Einsatz ihres Lebens kommen, sind naturgemäß gut sichtbar und in den Medien präsent: Flüchtlinge und Einwanderer aus dem Nahen Osten, aus Afrika und Afghanistan. Jene anderen hingegen, die gehen, reisen unsichtbar mit dem Flugzeug, der Limousine oder dem Railjet ab und sind medial nicht präsent: Auswanderer aus Österreich, die ihre Heimat verlassen, um anderswo in der Welt ihr Glück zu suchen. 22.000 waren es im vergangenen Jahr.
Es sind zwei sehr unterschiedliche Gruppen, die da gerade kommen und gehen. Während jene Migranten, die derzeit nach Österreich kommen, im Schnitt naturgemäß nicht gerade übermäßig (nach unseren Kriterien) qualifiziert sind und schon aus Gründen der Sprache oftmals eher in die unteren Segmente des Arbeitsmarktes drängen werden, sind jene, die das Land verlassen, im Schnitt hochqualifiziert und überdurchschnittlich gut ausgebildet. “Österreich hat ein Brain-Drain-Problem”, meinte bereits im Vorjahr der Migrationsexperte Heinz Faßmann. Vor allem Ärzte, aber auch viele andere Akademiker kehren der Republik den Rücken zu. “Die Besten gehen nach Amerika, die guten nach Deutschland, der Rest bleibt da”, formulierte es spitz ein österreichischer Rektor.
Österreich, konstatierte auch Außenminister Sebastian Kurz dieser Tage korrekt, ist hingegen für Migranten aus mehreren Gründen besonders attraktiv, von denen der sehr voluminös dimensionierte Sozialstaat sicherlich nicht der unwichtigste ist.
Österreich, das belegen die Auswanderungsstatistik und deren negativer Saldo aber auch, ist hingegen für jene seiner Bürger, die ihre Talente und ihre gute Ausbildung vielleicht nicht nur für eine Karriere im Ministerium nutzen wollen, sondern eher Steve Jobs oder Elon Musk als vorbildlich ansehen, von überschaubarer Attraktivität. Sonst würden ja nicht so viele von ihnen weggehen.
Legt man die beiden Befunde übereinander, ergibt sich ein bemerkenswertes Bild. Es ist das Bild eines Landes, in das zu wenige Menschen mit jenen Qualifikationen einwandern, die das Land bräuchte, und zu viele jener Menschen auswandern, die genau diese Qualifikationen haben. Auswanderern in Kompetenzfestungen wie die USA stehen Einwanderer in den fürsorglichen Betreuungsstaat gegenüber. Was, wenn diese Tendenz über längere Zeit ungebrochen so anhält, letztlich die finanzielle Dotierung des Sozialstaates in erhebliche Gefahr bringt.
Gestoppt kann diese Entwicklung nur werden, wenn an die Seite der “Willkommenskultur” gegenüber Migranten auch eine “Bleibekultur” für jene Hochqualifizierten tritt, die heute zu Tausenden die Republik Jahr für Jahr unter Mitnahme ihrer meist sündteuren Ausbildung verlassen. Und das heißt: viel niedrigere Steuern und Abgaben, viel weniger Bürokratie und Regulierungswut, ein gesellschaftliches Klima, in dem Leistungsbereitschaft nicht unter Generalverdacht steht, eine freundliche Grundhaltung unternehmerischen Ambitionen gegenüber und was sonst so für prosperierende Gemeinwesen charakteristisch ist. Des molligen Sozialstaates wegen wird hingegen keiner dieser tausenden österreichischen High-Performance-Migranten auf die Flucht aus der Republik verzichten. (WZ)
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