Von Dr. Peter Wörmer
Bekanntlich gibt es gute und schlechte Verlierer. Die schlechten Verlierer ,finden‘ den Grund für ihre Niederlage nur in den dunklen. bösartigen Machenschaften anderer, deren bedauernswertes Opfer sie sind. So ist Selbstmitleid wohlbegründet, und man hat einen moralischen Anspruch auf Mitleid und womöglich Hilfe anderer. ,Natürlich‘ sind sie selbst makellos und fehlerfrei – zumindest so gut wie. Das hilft dem Selbstwertgefühl ungemein und, wenn man Glück hat und andere ihnen ihre Geschichte abnehmen, auch ihrem Sozialprestige. An solcher Legende wird zur Zeit eifrig gestrickt.
Herr Lucke ist anscheinend ein schlechter Verlierer. Noch am 31.01/1.2. auf dem Bremer Parteitag war er unter den rechtlich gleichrangigen drei Bundessprechern unbestritten die Nr.1. Problemlos wäre er mit großer Mehrheit zum alleinigen Vorsitzenden gewählt worden. Auch ich hätte ihn, mit einigen Bedenken, gewählt. Und nun, auf dem Parteitag in Essen, war alles ganz anders. Seine Niederlage war drastisch.
Da waren inzwischen massenweise Radikalinskis in die Partei geströmt? Haben massenweise Mitglieder ihre schlechten Charakterzüge mobilisiert? Sind so enorm viele Mitglieder auf dubiose Strippenzieher hereingefallen? Gibt es einen Rechtsruck? Offensichtlich alles Unsinn: Märchenstunde. Lucke selbst sagte noch kürzlich: „Wir haben keinen Rechtsextremisten in der Partei.“ (Junge Freiheit, 12.6.15) Er schwurbelt zwar im Stil inkorrekter Politischer ,Korrektheit‘ von einer Entwicklung nach Rechts, kann das aber nicht wirklich konkret belegen. „Luckes Lager sagt, unter Petry entwickele sich die AfD zur rechtsnationalen Partei. Aber um Inhalte geht es nur, wenn man die Dinge oberflächlich betrachtet. Lucke hat die Partei von Anfang an mit absolutem Herrschaftsanspruch geführt, und Petry war nicht bereit, sich dem zu beugen.[…] Lucke würde die AfD gern führen wie ein Sonnenkönig.[…] Lucke versucht nun, den Streit mit Petry zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung zu stilisieren. “ (Melanie Amann, Christoph Schult, Spiegel, 16.5.15, S.21f). Lucke und Gefolge wollten und wollen sich vielmehr Altparteien und Leitmedien allmählich anbiedern, weg von den ideellen Ursprüngen der Partei.
Lucke hat mit ,unmöglichem‘, autoritärem, autistischem Verhalten, das zuvor noch nicht so penetrant deutlich hervorgetreten war, geradezu systematisch sehr viele Mitglieder gegen sich aufgebracht.
Deren Wut hat sich im Laufe der Zeit aufgestaut und auf dem Parteitag entladen, für kurze Zeit bei einem kleinen Teil der Teilnehmer in minder zivilisierter Weise. Aber ich habe auch zum ersten Mal in meinem Leben maßvoll gebuht. Das Tagungspräsidium hat sein Bestes getan und sogar – nicht sonderlich erfolgreich – das Buhen untersagt, obgleich das undemokratisch war: Buhen ist genauso legitim und legal wie Beifallklatschen – zur Meinungsfreiheit gehört beides gleichermaßen. Selbstverständlich darf der Redner nicht am Weiterreden gehindert werden. Das wurde auch niemand. Nach Luckes Abwahl äußerten nicht wenige Teilnehmer erleichtert, nun mache AfD wieder Spaß.
Lucke möchte anscheinend die Version verbreiten, er als Vernünftiger, als Repräsentant gutbürgerlicher Wohlanständigkeit sei von einem weithin von Radikalinskis beherrschten, teilweise pöbelhaften Parteitag grundlos in die Wüste geschickt worden. Lange Zeit habe auch ich Herrn Lucke für einen ,Vernünftigen‘, einen ,Repräsentanten gutbürgerlicher Wohlanständigkeit‘ gehalten (http://web153.server1.justorange.org/cms/2014/12/29/die-afd-verdient-unterstuetzung-durch-alle-die-alternativen-wirklich-wollen/), habe mich dann aber mit großem Bedauern von der Realität korrigieren lassen müssen. Bei Licht betrachtet, kann von jener wunschdenkerischen Charakterisierung Luckes leider nicht die Rede sein.
In der Partei hatte sich z.B. herumgesprochen, auf welche brutale Weise Lucke den erfolgreichen Bundesgeschäftsführer – ehemals Oberst im Generalstab – abserviert hat. Auf dem Bundesparteitag hat man Wiedergutmachung geübt und ihn in den Bundesvorstand gewählt. „Lucke verlangt unbedingte Gefolgschaft. Wer am Vorsitzenden zweifelt, kann über Nacht abgemeldet sein.“ So im ,Spiegel‘, am angegebenen Ort., S. 22. In einem Journalistenwatch-Artikel habe ich beispielhaft aufgelistet, wie sich Luckes „Anstand“ gezeigt und er sich als Vorsitzender disqualifiziert hatte: http://journalistenwatch.com/cms/mit-grossem-bedauern-vom-lucke-fan-zum-lucke-kritiker-es-reicht-herr-lucke/, auch http://journalistenwatch.com/cms/afd-streit-lucke-rastet-nun-voellig-aus/, http://journalistenwatch.com/cms/lucke-kann-es-wirklich-nicht-und-zudem-waere-seine-wahl-anfechtbar/
Lucke hatte insbesondere mit Gründung und Aufbau seines „Weckrufs“ und Werbung dafür (unter Missbrauch der AfD-Adressenkartei) gezielt die Partei gespalten und sie zu erpressen versucht, hatte damit den gröbsten Satzungsverstoß in der Geschichte der AfD begangen (gegen Artikel 17, Absatz 2, Satz 2), Weckruf-Veranstaltungen weitgehend oder ganz rechtswidrig mit Steuergeld finanziert, das er nur durch sein AfD-EU-Mandat erlangt hat, und normale AfD-Mitglieder unter Androhung physischer Gewalt ausgesperrt. Lucke setzte sich nicht nur über die Satzung hinweg, sondern auch über das Grundgesetz: Er kannte innerhalb der Partei nicht einmal die Meinungsfreiheit seiner politischen Gegner an (Artikel 5, Absatz 1): „Meinungsfreiheit gibt es in der Gesellschaft, aber nicht in einer Partei.” (FAZ-Sonntagszeitung, 28.6.15) (Tatsächlich gilt selbstverständlich die Meinungsfreiheit auch innerhalb von Parteien. Für den Fall von Parteischädlichkeit gibt es Ordnungsverfahren.) Usw.usw. Wen kann es da wundern, dass sich Wut aufgestaut hatte? Und anständige Leute lassen sich grundsätzlich nicht erpressen.
Nun kommt also die Weckruf-Partei, entgegen vielfachen Zusicherungen zuvor. Dreimal darf man raten, wer wohl Vorsitzender wird. Wenn die eine Partei einen als Vorsitzenden nicht mehr will, gründet man sich eben eine andere. Man hat sich schließlich so daran gewöhnt, Vorsitzender zu sein. AfD-Mandate, so man welche hat, nimmt man mit. Das ist man der besonderen Art von „Anstand“ schuldig. Brecht hat ja mal der Regierung, die das Vertrauen des Volkes verloren hat, empfohlen, sich ein anderes Volk zu wählen.