Martin Lichtmesz
…Eines ist jedenfalls hoffentlich sonnenklar: daß weder die Bild-Zeitung, noch dieWfD, noch irgendein anderes an dem aktuellen Tamtam beteiligtes Blatt auch nur das leiseste Interesse daran hat, über diverse Höcke-Sätze, die man sich wie Rosinen vorsätzlich und mit einschlägiger Absicht aus dem Kuchen gepickt hat, besonnen, abwägend, differenziert oder kultiviert zu debattieren. Hier sollen lediglich Keile getrieben werden, um einen Unliebsamen abzusägen, wobei Inhalte völlig nebensächlich sind. Woher kennen wir das?
Zugleich lenkt die Skandalisierung der Höcke-Schnipsel die Energien auf völlig unerhebliche Nebenschauplätze ab. Es ist wieder einmal die berühmte Titanic-Konversation über schmutzige Gabeln und sonstigen Nebbich, während der Eisberg immer näher kommt. Dazu ein kleiner Exkurs, obwohl es das fragliche Thema an sich nicht unbedingt wert ist. Aber man tut gut daran, den größeren Kontext zu betrachten, der hinter der Kontroverse steht.
Alle, die angesichts der Höcke-Sätze über das Fortpflanzungsverhalten subhararischer Menschen entrüstet gehustet, pikiert die Lippen gespitzt und reflexartig irgendeinen Stuß über angeblich „rasseideologische“ Behauptungen von sich gegeben und sich damit von der eigenen intellektuellen Redlichkeit verabschiedet haben, sollen zunächst einmal kurz innehalten, und über die unbestrittene, non-kontroverse Tatsache nachdenken, daß die explodierende Bevölkerung Schwarzafrikas sich bis zum Jahre 2100 vervierfacht haben und auf 5,1 Milliarden angewachsen sein wird, während die Bevölkerung Europas zur selben Zeit (derzeit 742,5 Millionen) bekanntlich rapide im Schrumpfen begriffen ist. Angesichts der ungeheuren Massen und Völkerwanderungen, die auch aus Schwarzafrika in die Richtung des fetten, aber verteidigungsunfähig und dekadent gewordenen Kontinents drängen – kann es denn sein, daß hier womöglich ein klitzekleines Problem für Europa am Horizont auftaucht?
Nun kommt, um ein ein wenig gehobeneres Beispiel zu nennen, ein Wissenschaftsjournalist der NZZ und nennt Höcke einen „lügenden Politiker“. Der Vorspann des Artikels lautet so:
Der führende AfD-Politiker Björn Höcke behauptet, dass das Reproduktionsverhalten der Afrikaner Europa bedrohe. Das ist nicht nur rassistisch, sondern auch wissenschaftlich unhaltbar.
… ganz im Gegensatz zu Theorien, die zwar rassistisch, aber auch wissenschaftlich haltbar sind, um nebenbei auf die Stilblüte hinzuweisen. Löst der Text ein, was der Vorspann ankündigt? Nein, der Autor sagt lediglich, daß die von Höcke erwähnte r/K-Strategie erstens auf Menschen nicht oder nur sehr bedingt anwendbar sei, und zweitens:
… ist die Unterteilung in «europäische» und «afrikanische» Reproduktionsstrategien schlicht unhaltbar. Das würde nämlich bedingen, dass sich afrikanische und europäische Populationen klar voneinander abgrenzen liessen. Doch dazu sind wir uns – genetisch gesehen – schlicht zu ähnlich.
Tja. Damit wären wir mitten auf dem Gelände der hochideologisierten Rassenbiologie unserer Zeit angelangt, die Aussagen insbesondere über die Unterschiede oder besser: die nicht vorhandenen Unterschiede der Menschenrassen zum Dogma erhoben hat, von denen aber jedes Kind weiß, daß sie nicht stimmen – denn jedes Kind kann mit dem bloßen Auge „afrikanische und europäische Populationen klar voneinander abgrenzen“ und unterscheiden.
Zumutungen wie diese, die den Himmel grün und das Gras blau nennen, vorgetragen unter Berufung auf eine höhere wissenschaftliche Esoterik, die dem dummen Durchschnittslaien nicht zugänglich sei, kennt man auch aus anderen Bereichen – etwa dem „Gender Mainstreaming“, wo man bekanntlich ähnlich biologophob argumentiert wie im humangenetischen Bereich, so er ins Politische und Gesellschaftspolitische hineinragt.
Es handelt sich hier um eine altbekannte politisch-ideologische Strategie und eine auch und vor allem außerhalb evolutionsbiologischer und -psychologischer Fachdebatten typische Forderung der politischen Korrektheit: man will uns weismachen, daß unser Augenschein ebenso trügt wie unsere empirische Erfahrung, und behauptet dann etwa, daß wir „uns“ (ein „wir“, das offenbar die komplette Menschheit umfassen soll) angeblich „genetisch gesehen schlicht zu ähnlich seien“, womit häufig auch andere, nicht-biologische Faktoren, die zu erheblichen Unterschieden zwischen Populationen und Bevölkerungsgruppen führen, ausgeblendet werden, was zu allerlei Kurzschlüssen im Hinblick auf Fragen der Einwanderungspolitik und der ethnischen Identität führt…
http://www.sezession.de/52631/bjoern-hoecke-notizen-zum-kontext-der-kontroverse.html/2
Dieter Stein
Da auch im aktuellen FAS-Artikel von Volker Zastrow wieder von einer „Neuen Rechten“ die Rede ist – hier mein sechs Jahre alter Artikel aus der JF zur Entgegnung auf Versuche der Zeitschrift „Sezession“, diesen verkorksten Begriff wieder aufzuwärmen.
Troja läßt grüßen
Warum der Begriff der „Neuen Rechten“ in eine politische Sackgasse führt
von Dieter Stein
Es ist das alte Dilemma jedes konservativen politischen Ansatzes in Deutschland, sich in einer extremen Defensivposition zu befinden. Das von der Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann formulierte Phänomen der „Schweigespirale“ wirkt vor allem auf diejenigen, die sich nicht einem wie auch immer gefaßten Spektrum der „Linken“ oder einer vagen „Mitte“ zuordnen lassen, die womöglich explizit konservative, ja „rechte“ Positionen beziehen. Was ist „öffentliche Meinung“? Nach Noelle-Neumann sind dies „Meinungen im kontroversen Bereich, die man öffentlich äußern kann, ohne sich zu isolieren“.
Als linksradikale Studenten 1968 den „Marsch durch die Institutionen“ antraten, mußten sie Isolation nicht fürchten. Wie der Alt-68er Frank Böckelmann kürzlich im Gespräch mit dieser Zeitung (JF 16/08) sagte: „Von der Kapitalismuskritik abgesehen rannte die Protestbewegung offene Türen ein.“
Man kann nicht gerade behaupten, daß konservative oder „rechte“ Initiativen, die sich heute im politischen Meinungskampf engagieren, offene Türen einrennen. Im Gegenteil. Der Zeitgeist weht links. Die Lufthoheit in Redaktionsstuben, an den Universitäten hat eine saturierte Linke. Wie konsensfähig und attraktiv der Begriff der Linken ist, kann man daran erkennen, wie die gewendete SED/PDS sich inzwischen schlicht in „Die Linke“ umtaufen konnte und damit reüssiert. Es erfordert dagegen nicht viel Fantasie, sich auszumalen, welcher Erfolg einer Formation beschieden wäre, die sich „Die Rechte“ nennen würde.
Der von SPD, Grünen und einem linksextremen Antifa-Kartell im Jahr 2000 angeschobene und mittlerweile auf Dauer gestellte „Kampf gegen Rechts“ tut ein übriges, wenn sich ihm mittlerweile selbst brave CSU-Innenminister anschließen und damit vor einer linken Umfassungsstrategie kapitulieren.
Seit 1968 hat es auf konservativer Seite Gegenbewegungen zur Herausforderung der Kulturrevolution gegeben. Die 1970 gegründete Kulturzeitschrift Criticón des Münchner Publizisten Caspar von Schrenck-Notzing wurde rasch zu dem Kristallisationspunkt für Rechtsintellektuelle. Schnell entfaltete sich hier der breite Kosmos nicht-linker Ideen, von Nationalliberalen, Christdemokratisch-Konservativen, Nationalkonservativen, ex-linken Renegaten bis zu Autoren, die sich als explizit „rechts“ verstanden. Wegen der eigenen Defensivposition, aber auch wegen des weltanschaulichen Binnenpluralismus scheute man schon damals kategorische Selbsteinordnungen unter einen ideologischen Begriff. Das Merkmal des Konservativen ist nämlich die Differenz, das Vielgestaltige und nicht das Uniforme, Homogene, das auf einen ideologischen Begriff zu bringen ist.
In Criticón protokollierte der Schriftsteller Armin Mohler, Autor des Standardwerkes über die „Konservative Revolution“, die Pressekampagne 1979 in Frankreich gegen den Rechtsintellektuellen Alain de Benoist, der am Magazin der tonangebenden Tageszeitung Le Figaro mitarbeitete. Die Pressekampagne bezeichnete den Kreis um Benoist als „Nouvelle Droite“ (Neue Rechte). Schon in Frankreich wurde der Begriff „Nouvelle Droite“ nicht geschaffen, um eine „sympathische“ moderne Rechte gegenüber einer alten Rechten abzugrenzen, sondern um eine Gruppe – auch durch unterstellte Nähe zu Neonazis – zu isolieren und aus dem Diskurs auszuschließen.
Überspannte Hoffnungen auf einen auch in Deutschland kopierbaren Einfluß auf die intellektuelle Szene sorgten für einen kurzen Frühling des Begriffs „Neue Rechte“ in der Zeitschrift Criticón.
Immer mal wieder gab es später erfolglose Versuche, den Begriff einer „Neuen Rechten“ zu besetzen – zuletzt durch Heimo Schwilk und Ulrich Schacht 1994/95. Man mußte erkennen, daß der Begriff irreparabel beschädigt ist. Längst hatte sich die Definition tonangebender linker Politologen und seit Anfang der neunziger Jahre seitens der Verfassungsschutzbehörden durchgesetzt, die „Neue Rechte“ als Sammelbegriff für Intellektuelle zu verstehen, die einem „Brückenspektrum zwischen demokratischem Konservatismus und Rechtsextremismus“ zuzuordnen seien.
Seit kurzem flottiert der desavouierte Begriff wieder als Selbstbezeichnung durch Internetforen und Blogs. Die Herausgeber der konservativen Zeitschrift Sezession titulieren sich sogar neuerdings als „Vordenker“ einer „Neuen Rechten“.
Offenbar erliegt man der verführerischen Note des Begriffs: Er riecht nach Aufbruch, Unbefangenheit und Aprilfrische. Charmant scheint die Vorstellung, alles Negative auf eine ominöse „Alte Rechte“ zu werfen, alles Gute und Hoffnungsfrohe mit einer „Neuen Rechten“ zu verbinden.
Doch das ist illusorisch. Der Begriff der „Neuen Rechten“ ist dauerhaft als Definition einer antidemokratischen, genuin rechtsextremistischen Position markiert, und wer ihn annimmt, schließt sich damit selbst aus. Es grenzt an einen Kohlhaas’schen Kraftakt, wenn man glaubt, einen solcherart kontaminierten Begriff „positiv“ besetzen zu können. Dieser Begriff ist das sichere Ticket in eine Sackgasse – quasi zur „Endstation Rechts“, wie sich ein Internetportal nennt, das über NPD, Skinheads und „Neue Rechte“ aufklären will und darunter die JF subsumiert.
So paßt es denn wie die Faust aufs Auge, daß der Möchtegern-NPD-Chef Andreas Molau jetzt verkündet, er sehe sich den Ideen von Vordenkern der „Neuen Rechten“ wie Alain de Benoist verpflichtet. Man ahnt, wem es am ehesten gelingen könnte, den Begriff in seinem Sinne aufzuladen.
Wie das hölzerne Pferd zur Niederwerfung Trojas führte, so birgt dieser gleichsam trojanische Begriff die Gefahr, seine auf den ersten Blick harmlose Gestalt zu verlieren und sich gegen die zu wenden, die ihn eben noch fröhlich umsprangen.
Entscheidender als eine nette Verpackung (Begriff) ist der Inhalt (Position). Hier findet die entscheidende Auseinandersetzung statt, und hier haben Konservative und „Rechte“ offenbar nach wie vor Klärungsbedarf: Welcher politischen Tradition fühlt man sich verpflichtet? Wie hältst du es mit der NS-Vergangenheit? Wie hältst du es mit der Demokratie?
Es sei denn, es bezeichnet sich jemand als „Neuer Rechter“, der bewußt bruchlos an die Ideen der „Konservativen Revolution“ anknüpfen will, ohne sie notwendigerweise zu historisieren – wer „Antidemokrat“ nicht als Schimpfwort empfindet und wer sich an einer Ästhetisierung des Faschismus beteiligen will. Für ihn ist der Begriff wohl der passende.
Der gegen seinen Willen immer noch als „Vordenker“ einer „Neuen Rechten“ vereinnahmte Benoist hat sich übrigens schon seit Jahren nicht nur von diesem Begriff verabschiedet und verwirft die Kategorien „Links“ und „Rechts“ als „unbrauchbar“. In einem Gespräch mit der JF sagte er: „Zu wissen, ob jemand ‚rechts‘ ist, gibt mir heute keinerlei Aufschluß darüber, ob er für oder gegen Europa ist, für oder gegen den Irak-Krieg, für oder gegen die kapitalistische Ordnung, für oder gegen Umweltschutz … die Unterscheidung zwischen Rechts und Links entstand mit der Moderne; sie ist dabei, mit ihr auszusterben.“ Zeit also für die Dekonstruktion solcher Begriffe.
Aus: JF Nr. 03/09, 09. Januar 2009
http://jf-archiv.de/online-archiv/file.asp…
Werner J. Patzelt
I. Das Problem
Wer für gesellschaftliche Probleme sensibel ist und beim Streit um richtige Ziele oder taugliche Mittel auf guten Willen setzen will, den kann die Lage in Dresden derzeit in die Verzweiflung treiben. Nach Kräften wird dort vermieden, den politischen Streit um PEGIDA politisch zu lösen.
Die einen hoffen, das PEGIDA-Problem durch Symbolik loszuwerden, zumal durch Pro- und Gegendemonstrationen. Pegidianer folgen der Strategie „Beharrungsvermögen gewinnt auch!“. Wieder andere suchen den Sieg im Abnutzungskampf um Straßen und Plätze. Gar nicht wenige nehmen die Stadt selbst zur Geisel: Wo immer sich ein Ansehensverlust Dresdens zeigt, holt man Munition für innerstädtische Durchsetzungsgefechte. Derweil zerstreiten sich viele, die unter anderen Umständen einander auch mögen könnten…
…Nur Demonstrationen, die um konkreter oder allgemeiner politischer Anliegen willen durchgeführt werden, rechtfertigen in einer Demokratie regelmäßige Eingriffe in das öffentliche Leben, ja auch in die Arbeits- und Privatsphären anderer, und begründen entsprechende Duldungspflichten. Demonstrationen dieser Art führt PEGIDA aber nicht durch, solange die „Abendspaziergänge“ von keiner klaren politischen Programmatik motiviert werden. Allein für ein „Weihnachtsliedersingen“ im Massenchor oder für kollektives Empörungsgeschehen muss eine Stadt nicht unentgeltlich schöne Plätze bereitstellen.
PEGIDA möge deshalb endlich (wieder) politisch werden. Zumindest wären klare, systematisch erörterbare Forderungen vorzubringen. Noch besser wäre es, mit Parteien zusammenarbeiten. Vielleicht reicht es sogar zum Mut, sich – durch Teilnahme an den nächsten Parlamentswahlen – auch selbst zu einer Partei zu machen. In allen diesen Fällten könnte man sich gemäß den Regeln ganz normalen politischen Streits mit PEGIDA auseinandersetzen und sehen, in welchem realen Machtverhältnis zu unserem Gemeinwesen steht, was sich nun schon über ein Jahr lang auf Dresdner Plätzen tut.
Andernfalls wird PEGIDA über kurz oder lang hinnehmen müssen, dass man seine Aktionen wie Freiluftkonzerte behandelt und dorthin verlegt, wo musikalisch Andersgesonnene sie nicht hören müssen. Dann kann weiterspaziert werden, solange die Füße tragen. Doch ein Beibehalten des bisherigen unentschiedenen Kurses ist für einen ertragreichen demokratischen Streit zu wenig, für die Wiederherstellung von Frieden in unserer Stadt aber zu viel…
Dirk Schümer
…Wenn sich die Deutschen also beim Flüchtlingszustrom um ihre Identität sorgen, wenn sie sich ängstigen vor einsickernden Terroristen, vor möglichen Überlastungen des Sozialstaates oder fürchten vor wachsender internationaler Isolation durch Merkels Willkommenspolitik, wenn Menschen bei Nullzinsen ihrer Altersversorgung Lebewohl sagen und das Rentenalter hinterm Daseinshorizont verschwinden sehen – dann sind die vielen tausend anonymen Versuchskaninchen der Demoskopie womöglich bessere Strategen als der gesamte CDU-Jubelparteitag von Karlsruhe…