Von Boris T. Kaiser
“Ich fühle mich erschüttert in allem, an das ich je geglaubt habe“, schrieb Jan Böhmermann am 8. April 2016 auf seiner Facebookseite, bezugnnehmend auf den Skandal um seine Person. Ich gebe zu, bei mir hat es etwas länger gedauert, aber spätestens seit Angela Merkel den Satiriker, ganz im Sinne ihres autoritären Verbündeten Erdogan, für die staatliche Verfolgung zum Abschuss freigegeben hat, empfinde ich ganz ähnlich. In den ersten Sekunden und Minuten nach der Verkündung der Ermächtigung der Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Böhmermann wegen dessen Schmähgedichts über einen türkischen Tyrannen einzuleiten, war ich regelrecht sprachlos. Lediglich ein „unfassbar…“, konnte ich mir selbst für die sozialen Netzwerke entlocken. Wenig später kamen mir böse Gedanken darüber, dass Angela Merkel sich immer mehr zu einer Gefahr für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung entwickelt und zu was dies, zumindest in der Theorie, laut Artikel 20 Absatz 4 des Grundgesetzes jeden Deutschen berechtigt.
Ich war schon in jungen Jahren, damals noch als Linker, immer sehr kritisch gegenüber dem Staat und den Mächtigen. An dieser kritischen Haltung hat sich bis heute, trotz innerer politischen Wende, nicht viel geändert. Dennoch hatte ich immer ein gewisses Grundvertrauen in die Freiheiten, die einem die Bundesrepublik Deutschland als demokratisches Land zusichert. Dieses Vertrauen habe ich mit dem heutigen Tag verloren. Manch einer wird sagen, ich übertreibe und mache ein zu großes Fass auf. Mag sein, dass ich mich Böhmermann als Satiriker von Berufswegen in besonderer Weise verbunden fühle, aber ich finde, das Fass das man in diesem Fall aufmacht, kann gar nicht groß genug sein. Die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland hat alle freiheitlichen Werte der Republik auf einen Schlag über Bord geworfen, um es einem autoritären Irren recht zu machen.Vielerorts liest man jetzt, dass Merkel gerade durch die Ermächtigung, ein Wort, das übrigens seit langem keinen so schlechten Klang mehr in Deutschland hatte, die Rechtsstaatlichkeit gewahrt habe, weil sie die Verantwortung an die Staatsanwaltschaft überträgt. Mich mag das nicht so ganz überzeugen. Ich denke nicht, dass man die Gewaltenteilung ausgerechnet durch eine solche Ermächtigung Bungesregierung an die Stattsanwaltschaft in besonderem Maße ehrt und verteidigt. Zumal nicht, wenn diese Ermächtigung auf ein die Majestäten schützendes Gesetz aus der Zeit lange vor dem Grundgesetz zurückgeht.
Übrigens hat wohl nicht einmal Erdogan selbst daran geglaubt, dass die neue Frau in seinem politischen Harem in ihrer Erniedrigung ihm gegenüber so weit gehen würde. Sonst hätte er wohl kaum, zur Sicherheit, zusätzlich den normalen Weg der Strafanzeige und Unterlassungsforderung eines gewöhnlichen Hans Wurstes gewählt. Aber Merkel schafft es eben immer wieder sich selbst in ihrer Erbärmlichkeit zu überbieten. Dies war schon immer so. In letzter Zeit tut sie es aber in einem Tempo, das selbst den treusten CDU-Anhängern Angst machen sollte. Erst hat sie Deutschland durch ein unüberlegtes „Wir-schaffen-das“ mit geistig im Mittelalter verhafteten Kulturfremden aus aller Welt geflutet.
Als dann langsam aber sicher für jeden sichtbar wurde, welche massiven Probleme dies mit sich bringt, hat sie versucht die Flutung zu stoppen, beziehungsweise zu verschleiern, indem sie sich mit dem Diktator Erdogan auf einen faulen Austausch-Kompromiss eingelassen hat, der Deutschland und Europa mit all den Zugeständnissen an die Türkei und ihre undemokratische Regierung, langfristig sicher mehr Nachteile als Nutzen bringen wird. Um all dies zu krönen, hat sie jetzt auch noch die Büchse der Pandora in Sachen Einschränkung der Meinungsfreiheit geöffnet. Erdogan wird sicher nicht der letzte Staatschef bleiben, der sich durch einen deutschen Satiriker gekränkt fühlt. Auch das in Deutschland immer noch geltende Antiblasphemie-Gesetz dürfte so manchen islamistischen Herrscher zu einem glühenden Verfechter des deutschen Rechtsstaates machen.
Dies könnte langfristig sehr negativen Einfluss auf die Satiriker selbst haben. Ausländische Diktatoren wissen seit heute, dass sie nicht nur die Kunstfreiheit in ihrem eigenen Land bekämpfen und einschränken können, sondern auch die im Ausland, zumindest die in Deutschland. Damit dies die Satire, und übrigens auch den Journalismus, hier nicht feige und zahnlos macht, ist es dringend von Nöten, dass die nächste Regierung, in Sachen Freiheit, ein klar entgegengesetztes Zeichen zu Ihrer Vorgängerregierung setzt. Noch dringender von Nöten ist es, dass diese neue Regierung schnellst möglich ins Amt kommt.