Von Susanne Kablitz
Derzeit ist Dr. Gedeon, seines Zeichens Arzt (also automatisch ein Guter)und AfD-Politiker in aller Munde. Ihm wird vorgeworfen, Antisemit zu sein, was er selbst abstreitet und es darauf „reduziert“, Antizionist zu sein.Nun ist die ganze Situation so eskaliert, dass sogar Herr Meuthen (seines Zeichens Bundesvorstandsmitglied und Wissenschaftler – also auch ein Guter)
damit droht, zurückzutreten, falls Herr Gedeon nicht das Weite sucht. Weil Antisemitismus in einer kultivierten Gesellschaft keinen Platz hat, weil Antisemitismus verabscheuungswürdig ist, weil er menschenverachtend ist.
Nun, soweit, so gut. Und so richtig. Alles bis hierhin würde ich absolut unterschreiben.
Aber! Und hier kommt das große Aber! Ein Aber, das mich aufhorchen lässt und mich misstrauisch macht.
Das ist das Aber der Isolation auf den Antisemitismus an sich. „Antisemitismus hat in der AfD keinen Platz!“ und „Wir dulden keine Antisemiten“ und hier die mitunter zwei besten: „Wir können uns so etwas in Deutschland nicht leisten!“ und „Das ist das Todesurteil der AfD, wenn sie dies durchgehen lässt.“
„Ui“, dachte ich mir, „worum geht es bei der Diskussion eigentlich wirklich? Geht es darum, dass man Kollektive (denn nur in solchen ist so etwas wie Antisemitismus überhaupt möglich) ablehnt und weiß, dass diese meist in Katastrophen führen, wenn diese Kollektive erst einmal ein gemeinsames Feindbild haben, oder geht es „nur“ darum, dass man dieses „heiße Eisen“ auf gar keinen Fall anpacken darf, weil es politisch tödlich ist?
Ui, habe ich mich weiterhin gefragt, hat die AfD vielleicht schon an dieser Stelle gezeigt, dass sie sich eben genau wie alle anderen Parteien im Alltag den auferlegten Grenzen des Dürfens und Nicht-Dürfens unterwerfen muss und es keinesfalls schaffen wird, sich mutig gegen den Schuldkult zu stellen und es zuzulassen, dass Meinungsfreiheit nur bedeuten kann, dass sie absolut ist und eben nicht: Mal so und mal so? Meinungsfreiheit ja, wenn es politisch ungefährlich ist, Meinungsfreiheit ja, wenn sie problematisch wird?
Ich habe die Bücher von Herr Gedeon nicht gelesen. Und solange ich das nicht getan habe, werde ich mir über ihn auch kein Urteil erlauben. Das tun bereits genug andere. Und sie sind schnell darin – im Urteile fällen. Vor allem die, die die Demokratie angeblich so vehement verteidigen, sind gerade diejenigen, die Andersdenkende ausschließen und mundtot machen wollen.
Aber passt das zusammen? Muss ich als „Alternative für Deutschland“ nicht gerade das aushalten können?
„Nein“, wird mir ein Großteil der Menschen antworten. „Nicht in diesem Fall. Nicht bei diesem Thema. Da sowieso nicht. Und beim Rassismus nicht. Und bei der Ausländerfeindlichkeit nicht. Und … und … und.!“
Merkwürdig! Wie kann man dann die Demokratie verteidigen, die eigentlich davon lebt, dass Menschen unterschiedlich sind, dass sie andere Meinungen vertreten?
Und was das Erstaunlichste ist: Scheinbar niemandem fällt auf, was die Grundlage dieses Irrsinns ist.
Dass nämlich, egal, ob es sich um den Antisemitismus, den Sozialismus, den Kommunismus, die Apartheid o. Ä. handelt. Immer handelt das Kollektiv, das „Wir“! Immer waren diese Dinge nur möglich, weil das „Wir“ die besseren Ideen hatte, weil das „Wir“ es besser wusste. Weil das „Wir“-Kollektiv sich gegen das „Ihr“-Kollektiv gestellt hat. Weil im „Wir“ angeblich nie etwas Böses lag. Weil es gar nicht böse sein konnte, wenn es doch „alle“ so machten.
DAS ist das eigentlich Schlimme am Antisemitismus; das kaum einer erkennt, was die Grundlage dieser menschenverachtenden Ideologie ist. Eine Ideologie, die im „Wir“ ihren Nährboden hat. Und die in anderer Form nur allzu häufig unendliches Leid über Menschen gebracht hat.
Aber diese Diskussion interessiert die AfD ganz offensichtlich nicht. Hier geht es um die deutsche Schuld, die keinesfalls „herabgewürdigt“ werden darf. Dass so etwas nie wieder vorkommen würde, wenn man die Basis, das sozialistische „WIR“ endlich zum Teufel jagen würde, auf diese Idee kommt auch ich „Alternative für Deutschland“ nicht. Und das ist das Tragische an dieser unappetitlichen Diskussion, wo erwachsene Männer (in diesem Fall) sich selbst zu absoluten Lachnummern degradieren. Wo gedroht wird und geschimpft, dass die Balken sich biegen und wo kein Zwischenton mehr übrig bleibt, um auf das zugrundliegende Problem hinzuweisen.
Schade ist es, dass beiden Gestalten ihre eigene Armseligkeit nicht auffallen wird. Weil sich beide im Recht fühlen, weil jeder der „Bessere“ sein will. Der „Anständigere“! Dass dabei so Albernheiten wie Rücktrittsdrohungen herauskommen, wird seelenruhig hingenommen. Kein Gesichtsverlust kann so schlimm sein wie die Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Thema.
DAS, liebe Herren, ist ein Armutszeugnis – für Sie beide.