Von Klaus Barnstedt
Whistleblower im Innenministerium?
Was spricht eigentlich gegen folgendes, natürlich rein hypothetisches Szenario:
Die Bundesregierung kommt immer mehr in die Bredouille, weil sie sich – bis hin zum unsäglichen „Flüchtlingsdeal“ – mit Erdogan eingelassen hat und jetzt läuft dieser auch noch im eigenen Lande Amok.
Zurückrudern ist jetzt die Devise, wenn man sich nicht von allen demokratischen Grundsätzen verabschieden will. Ein Rest an demokratischer Glaubwürdigkeit muss schließlich erhalten bleiben. Es ist der Öffentlichkeit nicht mehr zu vermitteln, wieso man den russischen Präsidenten wegen dessen Außenpolitik scharf attackiert und versucht, ihn wirtschaftlich zu bestrafen, während man dem türkischen Präsidenten für seine Eskapaden in den letzten Jahren geradezu Narrenfreiheit zugestanden hat und ihn prinzipiell als gleichwertigen EU- und Nato-Partner hofiert.
Jetzt ist die hohe Schule der politischen Dramaturgie und Schauspielkunst gefragt:
Der Parlamentarische Staatsekretär des Innenministeriums übermittelt eine als vertraulich eingestufte Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion des Bundestages.
Darin heißt es, die Türkei habe sich „zur zentralen Aktionsplattform für islamistische Gruppierungen der Region des Nahen und Mittleren Ostens entwickelt.“
Soll die widersinnige Türkeipolitik der Bundesregierung mittels eines durchgestochenen BND-Berichtes an den Pranger gestellt werden? Oder haben Regierungsoffizielle sich selbst einen Vorwand geliefert, zu Erdogan auf Distanz zu gehen?
Man wüsste gern, wie die Anfrage der Linksfraktion konkret lautete. Auch erstaunt es einigermaßen, mit welcher Unbekümmertheit Informationen, die auf nachrichtendienstliche Tätigkeiten zurückgehen, erstens weitergereicht werden und zweitens mir nichts dir nichts an die Öffentlichkeit gelangen.
Wie auch immer. In dem Kernsatz des vertraulichen Berichtes heißt es, die Bundesregierung gehe von einer „seit dem Jahr 2011 schrittweise islamisierten Innen- und Außenpolitik (!) Ankaras“ aus. Trotzdem (oder etwa deswegen?) erklärte die Bundeskanzlerin im letzten Jahr bei einem Empfang anlässlich des Fastenmonats Ramadan: „Es ist offenkundig, dass der Islam inzwischen unzweifelhaft zu Deutschland gehört.“
Entweder die Kanzlerin distanziert sich umgehend von diesem Satz oder sie packt ihre Koffer!
Vor dem Hintergrund des veröffentlichten vertraulichen Berichts hat die Bundeskanzlerin mit ihrer Äußerung über den Islam „unzweifelhaft“ den Beleg geliefert, dass sie wissentlich seit mehreren Jahren das Geschäft Erdogans betreibt und die Interessen der Türkei für sie Vorrang gegenüber deutschen Interessen haben.
Gestern Kopftuch, heute Burka
Man konnte es ja kommen sehen! Bereits im März letzten Jahres hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass es einer muslimischen Lehrerin grundsätzlich erlaubt sein muss, mit Kopftuch vor eine Klasse zu treten. Natürlich aus Gründen der Religionsfreiheit. Die Begründung im Urteil lautete, einer Gläubigen müsse „ein imperatives, religiöses Bedeckungsgebot in der Öffentlichkeit“ zugestanden werden.
Alle in der Burka-Debatte angeführten Verbotsforderungen könnten damit an der juristischen Begründung des besagten Kopftuch-Urteils abprallen.
Kulturfremdes Erscheinungsbild im öffentlichen Raum durch Burkaträgerin? Ganzkörperverschleierung als extremes Kennzeichen der Unterdrückung der Frau? Demonstrative Ablehnung einer Integrationsbereitschaft?
Diese Einwände haben vor dem höchstrichterlichen Zugeständnis, dass jemand seine religiösen Bekleidungsvorgaben öffentlich präsentieren können muss, keinen Bestand. Soll also für die Zukunft gelten: Wer A sagt wie „Allah“, muss auch B wie „Burka“ sagen?
Zunächst einmal ist es also kein Wunder, dass bei der vorliegenden Rechtslage die erste Muslima vor dem Osnabrücker Verwaltungsgericht klagt. Sie verlangt, als Schülerin eines Abendgymnasiums aus religiösen Gründen eine Gesichtsverschleierung tragen zu dürfen. Ihre anfängliche Zulassung zur Unterrichtsteilnahme hatte die Schule widerrufen.
Die Dame möchte also eine Sonderrolle zugestanden bekommen, die darin besteht, den Gesichtsausdruck ihrer Mitschüler beobachten zu können, während dasselbe bei ihr nicht möglich ist.
Außerdem lebt eine Unterrichtsituation mit seinen Gesprächsanteilen, entsprechend jeder Diskussionsveranstaltung oder –runde davon, wie die Teilnehmenden auf Fragen, Einwürfe, Statements und dergleichen reagieren. Zustimmung, Skepsis, Erstaunen, Engagement, all dies wird auch durch Körperhaltung, Gesichtsausdruck und Mienenspiel zum Ausdruck gebracht. Es sind non-verbale Anteile eines hierzulande üblichen Gedankenaustausches, basierend auf einer weltweit verbreiteten Gesprächskultur mit offenem Visier.
Überhaupt geht es bei der gesamten Burka-Debatte letztlich nicht um Minderheitenschutz oder folkloristische Einzelfälle. Es geht bei dem Anspruch auf Verschleierung um die ostentative Demonstration völlig anderer Denkmuster, um den provokanten Hinweis auf ein als höherwertig betrachtetes Gesellschaftssystem.
.Sicherheitsüberlegungen erfordern es sogar, ein grundsätzliches öffentliches Burkaverbot ins Auge zu fassen. Bei der bisher praktizierten Heimtücke von Terroristen ist es vielleicht nur eine Frage der Zeit, wann ein weiterer Attentäter im Schutze der Burkatracht zu seiner bestialischen Tat schreitet.
Ich warte allerdings noch darauf, dass jemand erklärt, Opfer eines Anschlages zu werden, bei dem sich ein Terrorist unter einer Burka versteckt, sei geringer, als an einer Stubenfliege zu ersticken, die man versehentlich eingeatmet hat.
Gänzlich ausgeschlossen ist es allerdings, dass sich ein potentieller Attentäter als Nikolaus verkleidet. Da liegt der nordrhein-westfälische Innenminister Jäger mit seinem angedeuteten Argument zur Tolerierung der Ganzkörperverschleierung völlig falsch. Ein Nikolauskostüm ist keine Ganzjahresverkleidung und absolut nicht islamkonform. Das müsste jedem potentiellen Selbstmordattentäter auffallen, ganz gleich, wie traumatisiert oder psychisch gestört er ist. Nur als Innenminister eines Bundeslandes braucht man nicht darauf zu kommen.