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Das Wort zum Samstag: Von Terrorverdächtigen und verhinderten Volkshelden

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Von Klaus Barnstedt

Der von Zivilisten beherzt dingfest gemachte, mutmaßliche syrische Terrorist Jaber Albakr wurde zwei Tage nach der Festnahme in seiner Zelle der JVA Leipzig erhängt aufgefunden. Was ist jetzt der größere Hype?

  1. Dass erneut der vermeidbare Tod eines potentiellen Terroristen zu beklagen ist oder
  2. dass Landsleute eines syrischen Terrorverdächtigen eventuell einen Terroranschlag verhindert haben?

Ad 1.:

Habe ich ein Rechtsgutachten auf Twitter von Renate Künaxt (Grüne) verpasst? Gemäß ihrer Analysefähigkeiten wäre der Freitod des mutmaßlichen Terroristen sicher vermeidbar gewesen, wenn ihm ein Sozialarbeiter mit absolviertem Psychologie-Ergänzungskurs als gesellschaftsrelevante Fachkraft zeitlich unbegrenzt zu Seite gestanden hätte.

Das Ganze natürlich vorausgesetzt, Albakr hat sich tatsächlich selbst das Leben genommen. Wie allgemein bekannt ist, soll es ja bei Oury Jalloh, der sich vor rund zehn Jahren auf seiner Matratze in einer Zelle in Dessau selbst angezündet hat … Ach, lassen wir das!

Ad 2.:

Dummerweise hat der aus dem Leben geschiedene Terrorverdächtige die syrischen Landsleute und Attentatsverhinderungshelden vor seinem Ableben strafrechtlich nicht unerheblich als Mitwisser belastet.

Ärgerlich! Sämtliche ehrenwerten nationalen (auf einmal!) Auszeichnungen, von der bundesdeutschen Tapferkeitsmedaille bis zum Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband kommen für die syrischen Amateur-Ermittler möglicherweise nicht mehr in Frage. Auf dem fast gar nicht gestellt wirkenden Foto, in dem einer der syrischen Geheimagenten den wild entschlossenen mutmaßlichen Terroristen zärtlich im Arm hält, kann man sehen, wie sich die Kontrahenten einen erbitterten Kampf auf Leben und Tod liefern. (Ich kann das beurteilen. Als ehemaliger Judo-Kampfsportler weiß ich, was ein Würgegriff ist, wie er angesetzt wird und wie er sich anfühlen muss.)

Jetzt lässt sich, weil der syrische Haupt-Privatermittler untergetaucht ist und unerkannt bleiben möchte, die Heldenstory nicht einmal mehr im angestrebten großen Stil medial ausschlachten. Hoffentlich weiß wenigstens die Polizei, wo sich der Volksheld aufhält, um ihm ganz diskret einige wichtige Fragen zu stellen, sei es als Zeuge oder als Verdächtiger.

Auch dieses gibt es noch juristisch zu klären, bevor die „Helden-Syrer“ (BILD) zur nationalen Auszeichnung ersatzweise inkognito ins Schloss Bellevue geladen werden:

Liegt in der vorliegenden Angelegenheit auch keinerlei Selbstjustiz und sonstiges eigenmächtiges Handeln vor? Eine professionelle Abwägung zwischen einer scheinbar tatsächlichen Gefahrenlage im Verhältnis zu einer bloß vermuteten geplanten Straftat konnte von den syrischen Hobbydetektiven und kriminologischen Laien – sofern sie überhaupt integer sind (s.o.) – kaum erwartet werden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat eine Güterabwägung deshalb auch nicht stattgefunden. Es ist ferner davon auszugehen, dass der letztlich ums Leben gekommene Geschädigte gegen seinen Willen festgehalten wurde. Nicht geklärt ist außerdem, ob er von seinen Landsleuten auch verbal gedemütigt worden ist, was wiederum ein Motiv für seinen späteren Freitod gewesen sein könnte.

Da nach deutschem und internationalem Recht der Grundsatz der Unschuldsvermutung auch und aus rechtsstaatlichen Gründen ganz besonders für potentielle Attentäter gilt, haben sich die syrischen Überrumpelungsstatisten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zumindest der widerrechtlichen Freiheitsberaubung schuldig gemacht.

Diese Meßlatte der Verhältnismäßigkeit, welche mit Vorliebe bei Einheimischen angelegt wird, muss auch hier zur Anwendung kommen.

Es hätte völlig ausgereicht, den inkriminierten Terrorverdächtigen in vertrauensvoller Sicherheit zu wiegen und heimlich die Polizei zu informieren, anstatt ihn eigenmächtig auf schmerzhafte Weise an Händen und Füßen mit eilig herbeigebrachten Kabelbindern (!) zu fesseln und obendrein ein entwürdigendes „Beweisfoto“ von der Aktion anzufertigen.

Vor einer endgültigen Beurteilung der Sache durch den Bundesgerichtshof ist von einer Auszeichnung der politisch und medial hochgelobten Verdienstkreuzanwärter dringend abzuraten.

Nachtrag:

Ehrenwerte Asylantragsteller finden schon seit Monaten immer wieder prall gefüllte Geldbörsen mit insgesamt Hunderttausenden von Euros. Aber leider gibt es auch immer wieder Schreckensmeldungen (steigende Kriminalitätsraten durch „Flüchtlinge“, Übergriffe in und außerhalb von Asylantenheimen etc.). Da wurde es allmählich Zeit für eine ultimative Supermeldung über die unbestreitbare Integrationswilligkeit und Integrationsfähigkeit von Asylantragstellern! Die Forderung für eine nationale Auszeichnung bei gleichzeitiger Einbürgerung als Volksheld(en) folgte auf dem Fuße, ohne überflüssige Ermittlungen in der Sache abzuwarten.

Merken derartige Hochjubler eigentlich noch etwas? Wo hat es eine vergleichsweise und angemessene Würdigung von Anti-Terror-Spezialisten gegeben, die in Deutschland in der letzten Zeit schon mehrfach Anschläge verhindert haben?

Über Migranten, die auf zweifelhafte Weise „eingewandert“ sind, die sich aber vorgeblich von terroristischen Aktivitäten distanzieren, ist man geradezu außer sich vor Begeisterung. Wie kann man eine prinzipiell menschliche Haltung dermaßen bejubeln, nämlich eine selbstverständlich zu erwartende Ablehnung terroristischer Gewalt?

Wie erpicht man doch darauf ist, „Beweise“ für völlig integre Migranten präsentieren zu wollen und sich nicht geniert, diese Angelegenheiten unverhältnismäßig aufzublasen! Dabei sind und bleiben die Bedrohungen, von denen es viel zu viele gibt, das eigentliche Problem, welches aber sträflicherweise von denselben politischen und medialen Akteueren gern überspielt wird.

 

 

 

 

 

 

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