Von Felix Menzel
Die Einführung von vorübergehenden Grenzkontrollen durch die Bundesregierung hat schon jetzt einen Dominoeffekt ausgelöst. Tschechien und Österreich müssen nun auch etwas gegen illegale Einreisen unternehmen, damit die Flüchtlingswelle nicht in ihren Ländern endet. Das Signal Deutschlands an alle anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist damit klar: Angela Merkel und Thomas de Maizière wollen die europäische Solidarität in der Flüchtlingskrise erzwingen.
Jeder europäische Staat soll eine große Anzahl an Asylbewerbern aufnehmen und eine„Willkommenskultur“ nach deutschem Vorbild mit propagandistischen Mitteln durchsetzen. Wer also glaubt, Deutschland habe endlich begriffen, daß es den Zustrom von Einwanderern begrenzen muß, der freut sich etwas zu früh.
Merkel sagt: Ihr nehmt Flüchtlinge auf, wir zahlen
Doch die deutsche Umverteilungslösung in der Asylkrise dürfte teuer werden, denn die Staaten, die dann zusätzliche Belastungen zu tragen haben, werden eine Gegenleistung einfordern. Schon jetzt ist im Gespräch, daß diejenigen europäischen Staaten, die eine größere Zahl von Flüchtlingen aufnehmen sollen, mehr Schulden machen dürfen.
Das Problem auf diese Weise lösen zu wollen, paßt zu Merkel und den Eliten der Europäischen Union, die immer noch fest davon überzeugt sind, alles ließe sich auf bürokratischem Wege erledigen. Dabei geht es dieser Tage um viel mehr und langfristig wird die Bundesregierung hier Antworten geben müssen: Im Kern steht der weitestgehend homogene Nationalstaat zur Debatte.
Auf dem Weg in die flexible Weltgesellschaft
An seine Stelle soll ein Weltbürgerschaftsrecht treten, das es jedem Menschen erlaubt, dort zu wohnen, wo er es möchte. Jürgen Habermas hat 2011 in seinem Essay „Zur Verfassung Europas“ zu Recht angemerkt, daß die EU nur eine Zwischenstation auf dem Weg zu der dafür notwendigen Weltgesellschaft ist. Eine solche Weltgesellschaft kennt keine Identitäten mehr, sozialstaatliche Absicherung wird es nur zu einem Minimum geben, dafür das Angebot, man könne ja jederzeit an einen anderen Ort der Welt ziehen, wo es sich besser leben läßt.
Wir befinden uns also auf dem Weg in eine Gesellschaft, die unbegrenzte Flexibilität von jedem fordert. Niemand soll mehr eine Heimat haben. Jeder soll sich den Erfordernissen des Arbeitsmarktes anpassen und Kriegen soll einfach damit der Nährboden entzogen werden, indem die Menschen, die in den Krisengebieten leben, zur Auswanderung aufgefordert werden.
Das Heimatlos-Werden der Fremden und unsere eigene Entwurzelung
Obwohl die Verwirklichung dieser Weltgesellschaft äußerst unwahrscheinlich ist, richtet allein schon der Plan dazu genügend Schäden an, wie wir derzeit täglich erleben müssen. Bei der Flüchtlingsfrage geht es deshalb nicht allein darum, wo fremde Menschen überall leben dürfen und wer sich für ihren Schutz einsetzt. Vielmehr ist das Heimatlos-Werden der Fremden und unsere eigene Entwurzelung ein Thema, das zusammengehört.
Aus diesem Grund spielt es auch nur eine untergeordnete Rolle, wie die Bundesrepublik den Flüchtlingsansturm genau verwaltet und wie viele Asylbewerber es in einem einzelnen Jahr gibt. Viel sensibler sollten wir auf die Entscheidungen reagieren, die von grundsätzlicher Bedeutung sind: Soll es in Zukunft ein starkes, selbstbewußtes deutsches Volk geben? Brauchen wir ein Einwanderungsgesetz oder müssen Maßnahmen zur Begrenzung des Zuzugs ergriffen werden? Sollte die Globalisierung immer rasanter vonstatten gehen oder muß die Politik hier auf die Bremse treten?
Merkel schweigt zu alledem. Sie erklärt dem Volk nicht, wo die Reise hingeht. Nach der Transformation ihrer Partei führt sie vielmehr eine wahrscheinlich unwiderrufliche Veränderung unserer Gesellschaft durch, ohne dies zur Debatte zu stellen und einmal klipp und klar zu erklären, welche Vision sie eigentlich für Deutschland hat.