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Rollback der Wiedervereinigung. Und Chancen auf ein neues Kreuth

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Von Nikolaus Fest

Ein Abend in einem Salon, Thema: Kapitalismus, Liberalismus und das Wiedererstarken linker Wirtschaftsideen, wofür nicht zuletzt das Buch von Thomas Piketty steht. Zwar wurden grundlegende Zahlenangaben in seinem Werk inzwischen falsifiziert, doch haben wissenschaftliche Einwände gegenüber Glaubensfragen selten Gewicht. Erstaunlich auch hier, in sehr bürgerlicher Gesellschaft, das immer wieder geäußerte Mißtrauen gegenüber dem ‚Markt’ bei gleichzeitigem Vertrauen in die Politik. Solche Vorbehalte mögen bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts berechtigt gewesen sein, der Manchester-Kapitalismus und seine Nachfolger waren nicht menschenfreundlich. Doch seitdem kamen alle wirklichen Schrecken vom Staat, nicht vom ‚Markt’. Millionen sind durch politische Experimente ums Leben gekommen, in der UdSSR und ihren Satelliten, in Deutschland, China, Spanien, Italien; ebenso viele wurden im Zeichen verschiedener Ideologien drangsaliert, gefoltert, entrechtet. Das hat kein Markt je so gründlich geschafft, und auch das heutige Elend Afrikas ist keine Folge des Kapitalismus, sondern räuberischer und korrupter Politik. Dennoch halten viele weiterhin an Marx und seiner rührend schlichten, ökonomie-fixierten Sicht fest. Rätselhaft.

Generell der Eindruck eines immer größeren Wunsches nach Simplifizierung, der sich nicht nur in der ewig gleichen und gleich anspruchslosen Marktkritik offenbart. ‚Kein Mensch ist illegal’, ‚Diese Wirtschaft tötet’, ‚Europa hat die Pflicht zu helfen’. Das Ergebnis jahrzehntelanger Bildungsoffensiven.

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Zuweilen stößt man in anderen Sprachen auf Begriffe, die im Deutschen keine Entsprechung haben, deren Nutzen aber ganz offensichtlich ist – so wie der des japanischen Ausdrucks Bakushan: ‚Eine Frau, die nur von hinten schön ist’. Erst jetzt fällt mir auf, wie oft ich diesen Begriff verzweifelt gesucht habe. (Dank an P.S. für den Hinweis)

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Ein Berliner Professor berichtet, seine Berufsbezeichnung wie auch dessen weibliche Form sei inzwischen per Anweisung der Universitätsleitung untersagt. Werde nicht geschlechtsneutral von „Dozierenden“ gesprochen, würden Stellenanträge für Juniorprofessuren etc von der Verwaltung gar nicht mehr bearbeitet. Dieser Terror des orwellschen Neusprech sei inzwischen Alltag, die eigentlich subalterne Bürokratie habe die Macht übernommen.

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Mit Blick auf die gegenwärtige Invasion, vulgo ‚Flüchtlingskrise’, soll das  Auswärtige Amt für den Familiennachzug mit einem Vervielfältiger von 2,6 rechnen. Dieser beruhe auf den bisherigen Erfahrungen. So werden aus 800.000 Menschen 2.080.000 – inklusive vieler alter, gebrechlicher, analphabetischer Eltern, Tanten, Großeltern. Aber alles, alles Facharbeiter.

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Erstaunlich am politischen Umgang mit der ‚Flüchtlingskrise’ ist das Ausbleiben innenpolitischer Veränderungen. Die FDP bewegt sich mal wieder auf Zehenspitzen: Abgesehen von der Wiedereinführung der Visumspflicht für die Staatsangehörigen der Balkanländer, die gerade die tausenden Syrer, Iraker und Afrikaner nicht erfasst, fällt ihr nichts ein. Auch das macht deutlich, warum sie keiner vermisst. Ebenfalls unsichtbar bleibt, wohl auch medial verschuldet, die AfD. Ein erwartbarer Aufruf von Frau Petry, das war’s. Das große Rad ist das nicht. Vor allem aber verblüfft mit Blick auf die Zustände in München, Passau, Ingolstadt oder Regensburg die Ruhe der CSU. Wenn es eine Chance auf ein erfolgreiches Wildbad Kreuth, auf einen ersten bayrischen Kanzler gibt, dann jetzt: Nicht nur weiß-blaue Christen sehen die Invasion rabiater ‚Allahu Akbar’-Rufer mit Skepsis, auch viele Mittel- und Norddeutsche sorgen sich um die Zukunft. Anders als zu Zeiten von Franz Josef Strauß ist ein Bayer als Kanzler heute auch ‚Preußen’ zu vermitteln, und die Unzufriedenheit vieler CDU-Mitglieder mit dem Kurs Merkels in Fragen von Wehrpflicht, Griechenrettung, Energiewende oder Atom-Ausstieg ist weithin bekannt. Sollte die CSU den Koalitionsvertrag aufkündigen und die bundesweite Kandidatur ausrufen, würden vermutlich nicht wenige CDUler der bayrischen Schwesterpartei folgen. Das Schicksal von Merkel wäre dann besiegelt. Auch AfD und Alfa kämen vermutlich in größere Schwierigkeiten.

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Am Freitag zur Installation des amerikanischen Künstlers Paul McCarthy im Berliner Schinkel Pavillon. McCarthy, dessen Werk oft um Fragen unserer Wahrnehmung und ihren seltsamen Widersprüchen kreist, hätte die Ausstellung gefallen: Zu sehen war ein aufgebahrtes Replikat seiner selbst, nackt, mit schlaffem Schwanz und Scrotum, Echthaar und Altersflecken – von einer Leiche nicht zu unterscheiden. Im Vorraum, nicht einmal durch Türen getrennt, die Bar. Dort drängten sich die Massen, lachten, tranken Bier und Coke, und nicht wenige schlenderten mit ihren Getränken auch durch die Ausstellung. So viel zum Respekt vor Tod und Kunst. Beides wird nur noch als Inszenierung begriffen und berührt nur dann, wenn es ästhetisch befriedigt. Ein alter, nackter Mann auf einer Bahre ist nicht mal Anlaß, aufs Bier zu verzichten. Dagegen sorgt das Foto eines weit entfernt ertrunkenen Jungen für große Bestürzung.

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Herrliche Lektüre: Die Auszüge aus dem Buch von Christopher Stevens in der DailyMail über Lebensstil und Geldsorgen Winston Churchills. Obwohl immer am Rande des Bankrotts, verspielte er (nach heutigem Wert, in Euro) jährlich rund 55.000 Euro in Casinos und leistete sich Ausgaben für Zigarren, Champagner und Wein von 7.500 Euro – monatlich! 1949 tranken Churchill und seine Gäste innerhalb von zwei Monaten 454 Flaschen Champagner, 311 Flaschen Wein, 69 Flaschen Port, 58 Flaschen Sherry und 56 Flaschen Whisky. Seine Schulden beim Weinhändler beliefen sich zeitweilig auf über 200.000 Euro, seine gesamten Verpflichtungen auf 2,7 Millionen Euro. Immer wieder mussten Bewunderer Churchill und seiner Frau, die ebenfalls exzessiv einkaufte, mit großen Summen aushelfen. Rettung kam erst spät, und aus Hollywood: Der Verkauf der Filmrechte für seine Bücher verschafften ihm endlich finanzielle Luft.

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In der Sendung von Plasberg meinte kürzlich Ulrich Reitz, dass die Integration der Türken gelungen sei. Vom Chefredakteur des FOCUS war das eine überraschende Feststellung, hat seine Zeitschrift doch häufig das genaue Gegenteil geschrieben. Auch statistisch lässt sich die Behauptung kaum verifizieren. Die Zahlen zu Hartz IV, zu Kriminalität und Bildungsaufstieg sagen klar das Gegenteil, auch der frühere Neuköllner Bürgermeister Buschkowsky hat immer wieder auf die gescheiterte Eingliederung vieler Türken in die westliche Gesellschaft aufmerksam gemacht. Richtig wäre daher eine andere Vermutung: Wenn schon die Integration der großenteils gemäßigten, nämlich säkular-kemalistischen Türken nicht geklappt hat, dürfte die Integration der muslimischen Iraker, Syrier oder Afrikaner, die noch nicht mal die kemalistische Aufklärung erlebt haben, aussichtslos sein. Der Blick nach Frankreich oder England, die vor allem Muslime aus Afrika und Pakistan hereinließen, bestätigt dies.

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Immer wieder zu hören: Dass die illegalen Einwanderer hier arbeiten wollten. Schaut man allerdings auf dänische Statistiken, ist das nicht zwingend der Fall. Drei von vier muslimischen Immigranten, die Anfang 2000 dort einwanderten, sind nach Erhebungen des Dänischen Arbeitgeberverbandes immer noch arbeitslos. Das mag mit Sprachbarrieren zu tun haben, doch ist dies nach 10 und mehr Jahren Aufenthalt im Land und angesichts vieler staatlich geförderter Sprachkurse kein überzeugendes Argument. Zudem sind Einwanderer aus westlichen Ländern, die vor gleichen Sprachproblemen standen, voll integriert. Sie zahlen in die dänischen Sozialkassen ein, während der muslimische Bevölkerungsanteil dauerhaft hohe Anteile entnimmt. Der berufliche Mißerfolg dürfte daher in erster Linie an den Muslimen selbst liegen, ihrer bekannten Bildungsferne, ihrem rückständigen Weltbild, ihrer als Machokultur verbrämten Faulheit. All dies spricht gegen zu große Erwartungen in ihre Tüchtigkeit. So werden vermutlich nicht wenige die parasitären, oft über mehrere Generationen reichenden Hartz-IV-Karrieren leben. Auf Kosten und zum Schaden anderer.

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Ein kluger Kopf bemerkt, die jetzige Invasion sei im Kern die Vergeltung für 1989. Schon damals hätten viele, die jede Form einer deutschen Identität bekämpften, mit Grauen den Ruf „Wir sind ein Volk“ vernommen. Plötzlich war im Osten das Nationale wiedererwacht, die west-linke Hoffnung auf den Sieg des angeblich Weltbürgerlichen, Europäischen, Nicht-Deutschen offensichtlich gescheitert. Nicht mal in dieser Form, also jenseits der Arbeiterbewegung, sollte die immer ersehnte Internationale Wirklichkeit werden. Was wir jetzt erlebten, die besinnungslose Öffnung aller Tore, sei der ‚Rollback’: Wenn das deutsche Volk nicht bereit sei, seine Identität freiwillig aufzugeben, müsse man es eben durch Masseninvasion entdeutschen. Dass sich der Osten dagegen stärker wehre als der Westen, sei vorherzusehen.

Irgendwann der Gedanke: Goldhagen lag psychologisch doch nicht falsch, als er die Deutschen ‚willige Vollstrecker’ eines exterminatorischen Furors nannte. Nur richtet der sich diesmal gegen sie selbst – und sogar einst konservative Zeitungen machen mit.

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Zeitungslektüre in einem Café. An den Rand der FAZ, die Margot Käßmanns „Nur leere Kirchen machen Angst vor vollen Moscheen“ zitiert, hat ein früherer Leser an den Rand gekritzelt: „Nur leere Köpfe haben Freude an der vollen Käßmann!“

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