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Ehrgeiz lohnt sich nicht

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Von Nicolaus Fest

Vielleicht die aufschlußreichste Geschichte dieser Woche zum Zustand des Landes: Die Posse um eine mit 38.000 Euro öffentlich bezuschusste Reise Kreuzberger Schulkinder nach New York, die immer noch hohe Wellen schlägt. Glaubt man dem Tagesspiegel, ist dies kein Einzelfall, Zuschüsse von weit mehr als 2.000 Euro für Kinder sozialschwacher Familien seien nicht selten. Amüsant die Erklärung des Schulleiters, neben der Verbesserung der Englischkenntnisse habe der Besuch im Museum of Modern Art (MoMA) gelockt, hätten doch einige Schüler Kunst als Leistungskurs. Na dann. Wie immer die Erkenntnis: ‚Sozial’ ist immer nur die Unterstützung derjenigen, die wenig oder gar nichts leisten. Sofern man Fernreisen überhaupt als förderungswürdige Aufgabe des Staates sieht, sollte man nur solche Kinder unterstützen, deren Eltern versuchen, ihre desparate Lage zu verbessern. Alle anderen sollten selber zahlen oder unter Hinweis auf den fehlenden Ehrgeiz ihrer Eltern von Reisen ausgeschlossen werden.

Dazu folgende Geschichte: Schottische Bekannte haben zur Zeit viel Freude an ihrer Tochter. Die 16jährige, bisher eine eher mittelmäßige Schülerin, habe endlich die Kurve gekriegt, sich innerhalb eines Jahres im Klassen-Ranking vom 18. Platz aus an die Spitze gesetzt. Dafür erhielt sie den mit 500 Pfund dotierten Ambition Award der Schule.

Dass eine deutsche Schule einen Preis für Ehrgeiz auslobt und ihn auch so nennt, scheint undenkbar. Noch erstaunlicher ist allerdings die Reaktion der Lehrerin auf den Vorschlag der nun Klassenbesten, den Preis der Gemeinschaftskasse zu spenden. In Deutschland wäre dieses Ansinnen über den grünen Klee gelobt worden, als Zeichen von Gemeinschaftssinn und egalitärem Verzicht. Nicht so in Schottland. Dieser Wunsch, so die Lehrerin, sei weder nobel noch moralisch richtig. Nobel deshalb nicht, weil die anderen nicht auf Augenhöhe seien, also ebenso hart gearbeitet hätten und nur durch Krankheit, Pech oder sonstige Malaisen am Erfolg gehindert wurden. Und moralisch sei es falsch, alle jene, die weniger oder nichts geleistet hätten, am Preisgeld partizipieren zu lassen. Ihre Schule wolle Eigenständigkeit und Individualität fördern, und dazu gehöre auch der Mut, sich zu seiner Leistung und ihren Früchten zu bekennen und sie für sich zu genießen. Eine Einzahlung in die Gemeinschaftskasse würde diesem Gedanken und auch dem dahinter stehenden Menschenbild direkt widersprechen.

Was soll man sagen: Eine Hymne dieser Frau!

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