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Multikultur oder feindliche Übernahme

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Von Klaus Lelek

Der Wald, Park und seine Bäume als botanisches Sinnbild für den Zustand einer Gesellschaft – Das botanische Essay eines Exgrünen und Hobbygärtners, festgehalten in Wort und Bild  

Das beste Beispiel für eine gut funktionierende multikulturelle Gesellschaft ist der Wald. Hier zeigt sich auf Schritt und Tritt, was zusammengehört oder welche Pflanzen regelrecht Unheil anrichten. Mischwälder mit Kiefern, Buchen, Eichen, Birken, Hainbuchen, Wildkirschen und Ebereschen bieten hier ausgezeichnete Studienobjekte. Manche Bäume scheinen Freundschaften fürs Leben zu schließen, wachsen zusammen eng umschlungen, bilden gemeinsame Kronen, gemeinsame Wurzeln, andere weichen sich gegenseitig aus. Kiefern und Buchen scheinen eine besondere Vorliebe für solche Symbiosen zu haben. Beinahe orgiastisch umschlingen sich die Stämme und Äste. Hier herrschen keine Berührungsängste, sondern es zeigt sich eine enge Verbundenheit. Sogar ein „flotter Dreier“ ist drin. Betrachtet man die Dinge rational, so stößt man auf ein Naturphänomen, das am besten mit „instinktiver Intelligenz“ umschrieben werden kann. Bei der Baumpartnerschaft profitiert sowohl die Kiefer als auch die Buche. Kiefern sind Pfahlwurzler, die bis zu acht Meter in den Untergrund gehen. Die Buche ist als Flachwurzler dagegen tendenziell umfallträchtig. Eine bessere Stütze fürs Leben findet die Buche nirgendwo. Zusammen decken beide Bäume einen großen Wassereinzugsbereich ab. Die Kiefer zieht das Nass aus der Tiefe, die Buche nimmt mit ihrem Wurzelrad die Feuchtigkeit der unmittelbaren Umgebung auf.

Aber auch innigliche Verbindungen zwischen Tannen und Buchen sind möglich, wie nachfolgende Bilder eindrucksvoll beweisen, ebenso enge Baumnachbarschaften zwischen Moorbirken und Fichten. Der immergrüne Ilex, besser als Stechpalme bekannt, schmiegt sich an Eichen. Auch Buchen-Eichenpaare kommen in der Natur vor. Unser deutscher Wald ist nicht nur ein Sehnsuchtsort, magisch, märchenhaft und mythenbeladen, er ist auch multikulturell. Voraussetzung für solche Vielfalt ist neben verringerten Eingriffen des Menschen – sprich Abbau von Monokulturen – die Akzeptanz der Bäume untereinander. Nur in einer fairen Partnerschaft mit wechselseitiger Ergänzung sind solche „Baumfreundschaften“ möglich.

Die „Efeuisierung“ der Bäume

Eine gravierende Ausnahme bildet die „Schmarotzerpflanze“ Efeu. Dass sie nicht als solche gesehen wird, verdankt sie dem Tunnelblick so genannter „Baumexperten“, die – buchstäblich aus dem gleichen Holz geschnitzt wie die Ökologen – die eingeschleppten Pflanzen wie Herkulesstaude und indisches Springkraut, welches ganze Flussufer in pflanzliche Monokulturen verwandelt, mit dem Enthusiasmus einer botanischen Willkommenskultur begrüßen und sogar von „Rassismus“ sprechen, wenn beherzte Unweltschützer die heimische Flora mit Sense und Hacke vor den Neophyten schützen wollen. Beim Efeu kann man ein Phänomen beobachten, dass auch in der Kulturgeschichte der Menschheit immer wieder vorkommt. Die „feindliche Übernahme“. Der Efeu will den Baum „efeuisieren“, da er aus eigener Kraft keinen Stamm bilden kann. Er breitet sich so lange aus, bis seine „Rankhilfe“ vollständig überwuchert ist. Im Gegensatz zur echten Schmarotzerpflanze Mistel entzieht der Efeu dem Wirt zwar keine Nährstoffe, schneidet ihn aber von der so wichtigen Photosynthese ab. Der Baum ertickt, vollkommen überwuchert, im wahrsten Sinne des Wortes qualvoll. Die Mistel bleibt ihrem Wirt zeitlebens in Form einer Symbiose treu verbunden. Stirbt ihr Gönner, ist auch das Ende der Druidenpflanze gekommen. Sie schmückt den Baum, wird zu seinem Anhängsel, aber nicht zu seinem Feind. Sie gleicht einem Künstler, der sich am Hof eines Königs niedergelassen hat. Auch das Geißblatt richtet keinen Schaden an und erfreut den Waldbesucher mit seiner dezenten Blütenpracht. Ebenso die Wildrose, die zusammen mit Holunder und Schleen regelrechte Vogelparadiese bildet.

Der Efeu will erobern. Schritt für Schritt verwandelt er sein Opfer in einen „Efeubaum“ Die Umwandlung geht oftmals unbemerkt vonstatten. Zunächst wird der Stamm umwickelt. Dann die Äste, schließlich die blättertragenden Zweige. Auffallend ist, dass diese Efeuumwandlung oft in verwahrlosten Parks – auch Alleebäume sind betroffen – von Großstädten stattfindet, wo Bäume aus Personalmangel oder anderen Gründen sich selbst überlassen bleiben. Oft sind es auch Gehölze, die Schädigungen aufzeigen oder überaltert sind, wo sich die Kletterpflanze ungehindert ausbreitet und regelrecht zu einer „grünen Pest“ wird. Mit einer morschen, morbiden, kraftlosen Baumgesellschaft hat der Efeu leichtes Spiel. Viele Bäume könnten gerettet werden, wenn man rechtzeitig zur Gartenschere oder notfalls beherzt zur Axt greifen würde oder großräumig mit Spaten und Spitzhacke dafür sorgte, dass sich der Eindringling erst gar nicht dem Baum nähert. Leider gibt es genügend blauäugige Gartenliebhaber, die Efeu bewusst ansiedeln ohne zu merken, dass sich der Baumkiller nicht integrieren lässt, sondern sein eigenes Programm fährt, durch schrittweise biologische Invasion die Vielfalt mittels einer Monokultur zu zerstören.

Zu den Bildern

 

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