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Wer seinen Müll nicht trennt, wird ausgepeitscht

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Von Klaus-Peter Schäfer

Über den deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche wurde an Wirtshaustischen sicher schon viel diskutiert. Aus seinem 1886 erschienen Werk „Jenseits von Gut und Böse“ stammt das folgende Zitat:

Der Irrsinn ist bei Einzelnen etwas Seltenes, – aber bei Gruppen, Parteien, Völkern, Zeiten die Regel.

Wollte man Familienministerin Schwesig, die vorgeschlagen hat, man könne doch säumigen Unterhaltszahlern als Sanktion den Führerschein entziehen, Irrsinn unterstellen, so wäre dies ein Einzelfall. In diesen Irrsinn gliederten sich dann aber Justizminister Heiko Maas und auch SPD-Parteichef Sigmar Gabriel ein. Ja, das ist doch eine tolle Idee. Wenn ein Vater seinen Unterhalt nicht zahlt, nimmt man ihm den Führerschein weg.

Nun mögen viele alleinerziehende Frauen, die sich jeden Monat durch das Leben kämpfen, ohne, dass der leibliche Vater seinen finanziellen Pflichten nachkommt, denken, dass dies eine gute Idee sei. Allerdings sind wir es ja schon gewöhnt, dass in politisch inaktiven Zeiten, und dazu zählt gerade die sommerliche Ferienzeit, die einen oder anderen verbalen Hirnrisse zu Tage treten. In der Redaktion, in der ich früher gearbeitet hatte, gab es immer zur Sommerzeit die CSU-Bauernopfertaktik. Ein Thema, das die namhaften Mandatsträger nicht aussprechen durften, wurde plötzlich lauthals von einem Feld-Wald-und-Wiesen-Bürgermeister aus Hinterdingsbummsing in die Öffentlichkeit getragen; die BILD-Zeitung empörte sich, der Politiker wurde schließlich zum Rücktritt genötigt. Doch die Diskussion blieb frei nach dem Motto: „Naja, so darf man das nicht sagen. Aber wir sollten darüber schon einmal reden“. Das Bauernopfer bekam – wahrscheinlich – für seinen verbalen Suizid eine Entschädigung, aber das Thema wurde nun diskutiert.

Und, pardon, der Führerscheinentzug für säumige Unterhaltszahler ist ein ebensolcher Unsinn. Gerade vom Justizminister sollte man erwarten können, dass er weiß, dass es zwischen Tat und Strafe einen Bezug in Sachen Verhältnismäßigkeit geben muss. Man spricht hier von der Strafzumessung. Wer sich im Straßenverkehr Autorennen liefert, bekifft oder betrunken am Steuer sitzt, wer andere gefährdet und rücksichtslos sein Fahrzeug als Waffe benutzt, dem kann man sicher den Führerschein entziehen. Und wer ein Kind die die Welt gesetzt hat und sich dann regelwidrig verhält, also nicht dafür bezahlt, was sollte man dem wohl wegnehmen? Wann hat eine Strafe einen erzieherischen Charakter?

Justizminister Heiko Maas will noch in diesem Jahr einen Gesetzesentwurf für ein Straftäter-Fahrverbot vorlegen. Gedacht sei dies für alle Straftäter, für die eine Geldstrafe kein Übel darstellt. Dass sich derart wohlhabende Straftäter dann auch ein Taxi oder einen Chauffeur leisten könnten, ist dem Justizminister wohl entgangen.

Aber zurück zu den säumigen Unterhaltszahlern. Wenn wir bei der Strafzumessung bleiben, so gebe ich Henryk M. Broder, der für die WELT schreibt, recht:

Man kann einem Vater, der sich in die Büsche geschlagen hat, nur dann den Führerschein entziehen, wenn er das Kind, für das er nicht zahlen will, auf dem Rücksitz seines Opel Zafira gezeugt hätte; wenn also der Führerschein eine der Ursachen war, für deren Folgen der Täter nicht die Verantwortung übernehmen will. Das ist so logisch wie der Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und verminderter Fahrtüchtigkeit.“

Und letztlich stellt sich immer die Frage, ob der Unterhaltspflichtige denn dann zahlt, wenn er keinen Führerschein mehr hat. Und kann er dann wenigstens einmal im Monat die Kinder abholen? Oder zur Arbeit fahren? Und warum kann man bei säumigen Unterhaltszahlern nicht einfach den Lohn pfänden, wie das bei anderen Vollstreckungsmaßnahmen auch geht?

Wird in Zukunft dann einem Jugendlichen, der im Supermarkt einen Schokoriegel klaut, das Seepferdchen-Abzeichen von seiner Badehose herunter gerissen? Oder bekommt ein Hausbesitzer, der seinen Müll nicht trennt, in Zukunft Peitschenhiebe? Für jede falsch einsortierte Plastikverpackung einen? Kinder, Kinder. Wir leben in einem Rechtsstaat. Und wir alle wissen, dass das Recht nicht immer für alle recht ist. Aber Tat und Strafe müssen im Verhältnis stehen. Kein Vater würde seinem Kind die Finger abhacken, wenn es aus Versehen sein teures Smartphone fallen lässt.

Wer seinen Müll nicht trennt, wird ausgepeitscht

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