Warum der Krieg in Syrien wirklich ausbrach, wie dumme Leute Fernsehen machen, und wieso die »Qualitätspresse« ans Steuergeld will / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Was sind das eigentlich für Leute, die da aus Syrien zu uns kommen? Das ARD-„Mittagsmagazin“ klärt auf. Moderatorin Hannelore Fischer versprach in der Sendung Ende vergangener Woche, uns einmal die „Geschichten dahinter“, hinter den nackten Zahlen und anonymen Zuwandererkolonnen zu erzählen.
So stellten uns die Kollegen vom Staatsfunk in kurzen Beiträgen ein knappes halbes Dutzend Syrer vor, die ihre „Geschichte dahinter“ preisgaben, damit wir den durchschnittlichen syrischen Flüchtling näher kennen- und einschätzen lernen.
Die äußerst sympathischen jungen Leute hatten erstaunlicherweise alle eines gemeinsam: Es handelte sich durchweg um Studenten oder frischgebackene Akademiker. Kein Tagelöhner, kein Bauarbeiter, kein ungelernter Arbeitsloser war dabei und schon gar nicht der „analphabetische Ziegenhirte“, der sowieso nur in den finsteren Vorurteilen europäischer Rassisten existiert.
Dieser repräsentative Querschnitt der syrischen Gesellschaft gibt uns endlich Aufschluss darüber, warum der scheußliche Bürgerkrieg überhaupt ausgebrochen ist. Nein, es war nicht der Disput zwischen einem Diktator und aufmüpfigen Oppositionellen, nicht das Auftauchen der Kopfabschneider unter ihren schwarzen Fahnen mit ihren noch schwärzeren Ideen, was diesen Konflikt vom Zaun brach.
Es war ganz anders. Weil das gesamte syrische Volk bis auf den letzten Mann und die letzte Frau mittlerweile aus Studenten oder Akademikern bestand, gab es niemanden mehr, der den Müll abholte, die Straßen teerte, den Bus fuhr oder all die anderen Sachen machte, die manch einer arrogant als „einfache Tätigkeiten“ abtut. Selbst in den Mensaküchen, von denen es in dem Land der Studenten und Akademiker Zigtausende gegeben haben muss, tat sich nichts mehr.
Eine Katastrophe! Als alles zusammengebrochen war, drehten die Hochgebildeten verständlicherweise durch und begannen, wild auf einander zu schießen. So kam der Krieg.
Bin ich zynisch? Ja, bin ich wohl, gebe ich zu, entschuldigen Sie. Aber an den Zynismus solcher Programm-Macher komme ich bei Weitem nicht heran. Die versprechen „Hintergründe“, also ein realistisches Bild von den Neuankömmlingen, und versuchen dann, uns mit dieser sagenhaft einseitigen Zusammenstellung von Fallbeispielen („alles Fachkräfte“) aufs Kreuz zu legen. Man muss seine Zuschauer schon maßlos verachten, wenn man sie für so leicht manipulierbar hält.
Oder? Wer weiß, vielleicht tun wir den armen Menschen in der TV-Redaktion auch furchtbar unrecht. Johannes Gross war in den 70er und 80er Jahren einer der bekanntesten deutschen Journalisten. Völlig verdient, denn der 1999 verstorbene Autor war einer der brillantesten Köpfe seiner Zeit.
Gross teilte die Geschichte des deutschen Fernsehens in drei Phasen ein: In der ersten Phase machten kluge Leute Fernsehen für kluge Leute, in der zweiten machten kluge Leute Fernsehen für dumme Leute und in der dritten Phase machten dumme Leute Fernsehen für Dumme. Wir, so Gross, befänden uns im Übergang von Phase zwei auf Phase drei. Das sagte er vor 30 Jahren, weswegen uns klar sein sollte, in welchem Abschnitt seiner TV-Historie der gute Gross uns heutige Zeitgenossen wähnen würde.
Daher sollten wir mit dem Schimpfwort von den „Lügenmedien“ vorsichtig umgehen. Es ist nie auszuschließen, dass die den Quatsch tatsächlich selber glauben, den sie uns vorsetzen. In diesem Falle sind sie keine Lügner, sondern bloß ein bisschen unterbelichtet.
Das ist an sich ja keine Schande, Dummheit ist menschlich. Allerdings haben die geistig benachteiligten TV-Macher das Pech, in einer vierten Phase der Fernsehgeschichte zu leben, die selbst der geniale Gross nicht vorhersehen konnte. In einer Phase nämlich, wo dumme Leute Fernsehen machen für Zuschauer, unter denen sich auch viele kluge Menschen finden, welche den Blödsinn bemerken und sehr, sehr ungehalten reagieren.
Erschüttert und zutiefst beleidigt berichten Fernsehmacher davon, wie ihnen in Zuschauerbriefen die Hucke voll gehauen wird. Ihrem Horizont geschuldet begreifen die TV-Leute gar nicht, warum das passiert und beklagen ein „gesellschaftliches Klima, in dem Hass und Hetze“ sich immer mehr ausbreiteten.
Dem will Justizminister Heiko Maas einen Riegel vorschieben, und anfangen will er beim Kampf gegen Hass und Hetze im Internet, genauer: beim Portal „Facebook“, wo im Grunde jeder reinschreiben darf, was ihm durch den Kopf geht. Die „Facebook“-Betreiber sollen gezwungen werden, „Hass“-Äußerungen zu löschen und bei der Auffindung der Urheber behilflich zu sein, damit diese bestraft werden können.
Was nun genau zum „Hass“ aufstachelt und was bloß eine derbe Meinungsäußerung darstellt, da gehen die Meinungen vermutlich auseinander. In einem vielbeachteten linksextremen Internetportal las ich dieser Tage den denkwürdigen Ausruf: „Deutschland, du mieses Stück Sch…!“ Mir ist nicht zu Ohren gekommen, dass Herr Maas oder sonst wer gegen diese offenkundige Hass-Äußerung vorgegangen wäre. Ob die wohl genauso gleichgültig (also gar nicht) reagiert hätten, wenn da beispielsweise „Afrika, du mieses …“ gestanden hätte?
Ach, das Internet! Ein gefährlicher Ort. Jenes Netz haben die großen Verlagskonzerne als tödliche Gefahr für ihre Blätter ausgemacht. Dorthin, so heißt es im Klageton, entschwänden ihre Leser. Warum? Vielleicht wegen Beiträgen wie diesem: Ein großes Nachrichtenmagazin donnerte gerade „Schluss mit den Vorurteilen. Sechs Fakten: Das bringen Flüchtlinge Deutschland wirklich.“ Hier eine Auswahl jener „Fakten“: Es sei ein Vorurteil, dass Asylbewerber Einheimischen die Arbeitsplätze wegnähmen, weil von den Asylbewerbern sowieso fast keiner arbeiten geht. Aha, und das „bringt“ Deutschland konkret – was? Dann lesen wir, dass der Staat von Januar bis Juli 21,1 Milliarden Euro Überschuss aus unseren Steuern erzielt hätte, während die Flüchtlinge nur zehn Milliarden kosteten, „bleiben also noch mehr als elf Milliarden Euro übrig“. Es „bringt“ Deutschland demnach etwas, dass nicht der ganze Überschuss futsch ist? Sind wir reicher, weil die Flüchtlinge nur die Hälfte des Überschusses kosten? Wenn Ihnen der Nachbar nur den halben Apfelbaum plündert, sollten Sie ihm dankbar sein für Ihren „Gewinn“, weil die andere Hälfte ja noch da ist.
Von ähnlicher Machart sind auch die übrigen „Fakten“. Mag man es Lesern verdenken, dass sie sich von solchem Unsinn aus der Abonnentenliste treiben lassen und am Kiosk zu anderen Zeitungen greifen? Kaum, doch auf Dauer kann der Leserschwund die Existenz der Konzernmedien gefährden, weshalb die großen Verlage händeringend nach einer Lösung suchen, die sie von der lästigen Abhängigkeit von zahlenden Lesern befreit.
Neidisch blicken die Konzerne dabei auf die Staatssender. Denen kann es bekanntlich egal sein, ob sie bei ihrer Kundschaft ankommen oder nicht, sie werden per Zwangsbeitrag finanziert, in Milliardenhöhe. So schön wollen es die Zeitungskonzerne auch haben und lassen durch ihre Redakteure entsprechende Ideen in Umlauf bringen. Am besten wäre es, so lesen wir, wenn der Steuerzahler zwangsweise zur Kasse gebeten würde, um auch die großen „Qualitätszeitungen“ zu päppeln. Wer wie viel von dem Geldsegen abbekommt, soll eine Art Gremium aus „unabhängigen Fachleuten“ bestimmen…
http://www.preussische-allgemeine.de/nachrichten/artikel/schmierfinken.html